07. März 2025

Die Ebbe

Robert L. Stevenson (1850 – 1894)
& Lloyd Osborne (1868 – 1947)

Erzählung von drei Abenteurern, Glücksrittern und Gaunern in der Südsee des 19. Jahrhunderts

Ein Buch, das ich beim Stöbern in Booklooker fand. Nie zuvor hatte ich davon gehört, doch gerade das machte mich neugierig und ich bestellte es mir als antiquarisches Buch (wie ich das so oft tue).

Weil der Band recht handliche Maße aufweist (18 x 12 x 1,8cm), sich also leicht verstauen läßt und das Gepäck auch nur mit geringem Gewicht belastet, nahm ich die Geschichte mit in den Urlaub. Selten las ich darin ein paar Zeilen (denn zum Lesen reise ich nicht in die Ferne), nur gelegentlich abends vorm Einschlafen, doch die 200 Seiten lasen sich so schnell und flüssig, die Geschichte entwickelt sich ohne unnötige Schnörksel, dass ich mir die letzen Seiten sogar extra aufsparen mußte, damit ich für den Rückflug wenigstens noch ein paar Zeilen übrig behielt.

Ich empfand es außerdem als einen angenehmen Vorteil, dass diese eine Geschichte als eigener Band verlegt wurde. Das erhöht den Wert der Erzählung auch haptisch, wertet die Arbeit des Autors auf (vielmehr “der Autoren”, denn Stevensons Stiefsohn Lloyd Osborne war zumindest einleitend und ideengebend bei dieser Arbeit involviert). Es wertet gleichzeitig auch die Substanz des Inhalts auf, denn wenn es wert ist, darüber ein eigenes Büchlein mit Hardcver herauszubringen, dann befinde ich als Leser das Geschriebene automatisch – bewußt oder unbewußt – einer eingehenderen Reflexion für umso eher für würdig.

Zum Inhalt
Es existiert von mehreren Autoren Literatur über die Südsee des 19. Jahrhunderts als Auffangbecken für allerlei Abenteurer, Glücksritter und Gauner. Oftmals fristen diese (meist) Gescheiterten ihr kärgliches unter falschem Namen, um ihre Familie in der Heimat nicht zu kompromittieren. So etwas finden wir bei Jack London und also auch hier bei Stevenson wieder.

In der vorliegenden Erzählung finden sich die drei Gestalten Robert Herrick (alias Hay) – ein Engländer –, der Amerikaner John Davis (alias Brown) und der wie Herrick ebenfalls aus London stammende Schreiber Huish bei Regenwetter zitternd und frierend an einem Strand von Tahiti zusammen. Im folgenden bindet sie das Schicksal, eine Gelegenheit und letztlich eine gemeinsam begangene Gaunerei zusammen: die Entführung eines Schoners zuammen mit dessen Ladung. Daraus entwickelt sich eine Geschichte, die noch einmal an Spannung gewinnt, als diese drei schließlich noch abgebrannter als zu Beginn ihrer Unternehmung auf einer schmalen kleinen Insel in den Tuamotus an Land gehen, wo sie auf einen Priester und Perlensucher treffen, durch den die Geschichte eine drastische Wendung erfährt.

Irgendwie fand ich, dass das Buch genausogut den Titel eines berühmten Western tragen könnte, der im englischen Originaltitel lautete: The Good, the Bad and the Ugly (Das Gute, das Böse und das Hässliche). Den drei Figuren aus der Südseeerzählung könnte ich – wie im Film ebenso – jeweils mühelos eines dieser Attribute zuordnen. Der deutsche Titel dieses Westerns mit Clint Eastwood, Lee Van Cleef und Eli Wallach lautete übrigens Zwei glorreiche Halunken.

Zur Übersetzung aus dem Jahre 1998
Der Text wurde erstmalig aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt, wenn die Angaben im Buch stimmen. Der Übersetzer (Klaus Modick) beschäftigte sich intensiv mit Stevenson, das merkt man beim Lesen und ganz besonders erkennt man das an seinen Anmerkungen am Ende des Büchleins. Das macht Lesefreude und ich “fliege” beim Lesen so weniger schnell über die Seiten, sondern ich nehme manche Stelle sogar zweimal “aufs Korn”, weil da ganz offensichtlich mehr Substanz dahintersteckt, die sich mir erst bei genauerer Betrachtung richtig erschließt. Diese Wichtigkeit der Worte in der Übersetzung zu bewahren gelang Klaus Modick anscheinend sehr gut .

Fazit
Das ist mal wieder ein richtiger Segel-Insel-Meer-Abenteuerroman aus der Feder von keinem Geringeren als R.L. Stevenson, ein Klassiker also. Bei Stevenson finde ich immer recht unterschiedliche Erzählungen, manche beeindruckten mich sehr, durch andere quälte ich mich auch schon mal ein wenig hindurch. Diese hier gehört eindeutig zu jenen, die ich gerne auch irgendwann wieder hervorholen könnte (und vielleicht auch werde), um sie ein weiteres Mal zu lesen.