Rückblende ins Jahr 1571
An einem Markttag zur damaligen Zeit:
Sommer im Jahre 1571. Es ist Markttag in der Stadt Zadar, in deren Stadtmauern sich aus diesem Grund die Menschen aus dem Landesinneren, aber auch die der umliegenden Inseln Ugljan, Pasman, Olib, Iž und Sestrunj treffen. Zwischen dem Hafen und der Porta Marina an der Nordseite der Altstadt strömt ein reger Warenverkehr. Fischer schleppen ihren vielfarbigen Meeresfang in das Innere der Stadtmauern, wo der fangfrische Fisch zum Verkauf feilgeboten wird. Sie hangeln die Meeresfrüchte unter dem Baugerüst am Stadttor hindurch, auf welchem Bauhandwerker gerade eine Gedenktafel für die heimkehrenden Seeleute aus Zadar anbringen, welche bei Lepanto an der siegreichen Seeschlacht der Venezianer gegen die Türken teilgenommen hatten.
Neben den Fischern preisen Bäuerinnen inbrünstig und unüberhörbar ihre verzehrbaren Produkte an. Es sind Tomaten, weiße und rote Kohlköpfe, Zwiebeln, Bohnen und Lauch, die sie hier an die vorwiegend weiblichen Kunden bringen möchten. Von der Westseite des Marktes, neben dem Gemüseangebot, dringt das Meckern von Ziegen herüber. Die Tiere schauen mit ihren neugierigen Köpfen über das Holzgestänge eines engen Gatters, welches die Tiergruppe dicht zusammenhält. Sie können nicht ahnen, dass für sie ein neuer Besitzer gesucht wird. Und meist wird der Käufer kein Bauer sein, sondern der Schlachter. Auch die Milch der Geißen wird hier aus großen Holzeimern heraus verkauft. Mit einer blechernen Kelle füllt die Bäuerin den mitgebrachten Tonkrug einer Kundin. Vorsichtig träufelt sie die reine unverfälschte Flüssigkeit in das Gefäß.
Auf dem südlich gelegenen Teil des Marktes, unweit der Donatskirche, sind die Stände der dalmatinischen Handwerker aufgestellt. Heute weht die Bora über den Markt. Die aus groben, grauem Tuch bespannten Sonnenschutzdächer der Verkaufsstände flattern im Wind. Ein Töpfer ist eifrig damit beschäftigt, sein losgerissenes und nun heftig schlagendes Sonnenschutzdach wieder anzubinden. Er balanciert mit einem Bein auf einem niedrigen Schemel aus Holz, der andere Fuß hält das Gleichgewicht auf dem etwas erhöhten Tisch mit der zerbrechlichen Ware. Eine kräftige Böe lässt das Leinendach wieder gewaltig flattern. Der Töpfer muss seine Balance halten und setzt mit dem Fuß etwas nach. Zu viel nachgesetzt – zu spät! – Zwei seiner besonders großen Vasen fallen vom Tisch, auf die von vielen Füßen glattgeschliffenen Kalksteine des Straßenpflasters. Es ist ein schallendes Scheppern, als die beiden tönernen Gefäße den harten Boden erreichen. Mit einem lauten Fluchen lässt der Mario, der Töpfer, das Tuch fahren und springt von seiner exponierten Position. Beide Krüge sind entzwei. Beim dem Wasserkrug ist lediglich der Henkel abgebrochen. Mario nimmt diesen Krug in die Hände und passt den Henkel an. Er scheint noch reparierbar und ist nach einen Preisnachlass sicher noch an den Mann zu bringen. Mario reißt das Sonnenschutzdach gänzlich von dem Holzgestell. Noch ein Produkt seiner aufwendig hergestellten Kollektion möchte er nicht riskieren.
Das laute Klirren der zerspringenden Töpferware ist über den gesamten Grünen Platz, die Piazza Verde, hörbar, wo gerade in dem Moment Bruder Lazario, der Mönch vom nahegelegenen Franziskaner-Kloster Sveti Frane einen Spaziergang und Marktbummel macht. Seine doch recht weltliche Neugier lässt ihn seinen gerade begonnenen Gedanken unterbrechen, um die Ursache des Geräusches zu ergründen. Also läuft er eilig über das Forum und kommt in dem Moment am Töpferstand an, als Mario die beiden Einzelteile des geringer zerbrochenen Kruges aneinander hält.
„Oh, der Herr möge deine kostbare Arbeiten künftig peinlicher beschützen!“ sagt er mitfühlend zu Mario.
Der Töpfer schaut mit bekümmertem Blick, doch achtungsvoll zu dem Mönch auf und nickt als Dank für den ausgesprochenen Trost. Bruder Lazario schlendert indes mit auf dem Rücken verschränkten Händen und einem interessiertem, fast schon suchenden Blick um den Töpferstand.
„Du hast sicher auch Töpfe für das Einlegen von Schafskäse dabei, wie wir einen im letzten Jahr bei dir gekauft haben?“ Der Mönch weiß um den einzigen solchen Topf, den ihre Brudergemeinschaft besitzt und der fast ständig leer ist. Hätten sie mehrere und auch größere davon, dann könnten sie nach der Mittagsmesse alle gemeinsam von den in Olivenöl eingelegten Schafskäse kosten.
Mario beugt sich hinter den Stand und hebt aus einer Kiste mit Stroh einen passenden Topf hervor. Lazarius betrachtet diese Tonarbeit, wohl ahnend oder wissend, mit welch großem Aufwand dieses Gefäß hergestellt wurde. Er dreht es in den Händen, freut sich an den farblichen Strukturen dieses kleinen Kunstwerkes.
„Diesen Topf nehme ich jetzt, weil er offensichtlich sehr robust ist und von dir auch mit sichtlicher Liebe zu deiner Arbeit hergestellt wurde. Obwohl er mir für unsere Bruderschaft wiederum nicht groß genug erscheint.“
Dabei hebt er den Deckel des Gefäßes und fährt mit dem Zeigefinger im Innern der Töpferware herum. „Mach uns noch fünf weitere Töpfe in verschiedenen Farbtönen. Wichtig ist die Größe der neuen Töpfe. Sie sollen jeder fünf Liter Olivenöl fassen können.“
Mario ist augenfällig erfreut über diesen erfolgreichen Verkaufsabschluss gleich zu Beginn des Markttages, der ursprünglich mit einem scheppernden Verlust für ihn begonnen hatte. Über den Preis werden sich die beiden Verhandlungspartner rasch einig und Bruder Lazarius stapft mit einem wohl göttlichen Schmunzeln im Gesicht und dem weltlichen Topf aus der Werkstatt des Töpfers Mario in den Händen davon.
Am Mittag, wenn die Sonne am höchsten steht und die Hitze meist nur noch schwer erträglich ist, bauen die Händler, Handwerker und Bauern ihre Stände wieder ab. Heute ist wegen der gelegentlich auffrischenden Bora die Hitze erträglich. So baut Mario der Töpfer seinen Stand diesmal mit einem fröhlichen Pfeifen auf den Lippen ab. Nach dem frühen Verkaufserfolg mit dem Mönch verlief für ihn der Tag ebenso erfolgreich weiter. Er braucht heute nicht viel seiner Ware zurück auf seine Heimatinsel Iž zu nehmen, auf die er zusammen mit seinem Nachbar Stefan, der ebenfalls Töpfer ist, mit einem Boot wieder zurückfahren wird.
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