22. März 2025

Die Geschichte des verlorenen Kindes

Elena Ferrante

Roman, vierter Teil der Neapel-Saga

Dies ist der letzte Band von Vieren, der über einen Zeitraum von ca. 50 Jahren von der Freundschaft zwischen den beiden Mädchen/Frauen Lila und Lenu erzählt. Wie auch die vorangegangenen drei Teile liest sich der Roman sehr flüssig, die Charaktere der beiden Hauptprotagonistinnen sind wiederum so deutlich herausgearbeitet, dass man sich leicht in sie hineinversetzt (insbesondere und gerade in diesem letzten Teil noch etwas mehr in Lenu als in Lila).

Und wir haben beim Lesen gedacht: würde die Autorin Elena Ferrante noch ein weiteres (fünftes) Buch in diese “Neapolitanische Saga” einreihen, wir würden es wieder genauso gerne lesen. Allerdings: es ist trotzdem gut, dass die Autorin davon absah, denn der Text wäre zweifellos wiederum gut und gerne zu lesen und die Protagonistinnen würden uns weiterhin ans Herz wachsen oder – je nach Situation – wären wir auch mal nicht so glücklich mit deren Auftreten und deren Entscheidungen. Doch bei einer so guten Schriftstellerin wie der Ferrante freuen wir uns stattdessen umso mehr auf neue Romane mit neuen Figuren, neuen Umgebungen, neuen Problemstellungen, so dass es dem Gesamtwerk der Autorin sicher guttut, wenn sie ihre weitere Kraft und Zeit in das Erschaffen von Lila/Lenu-unabhängigen Romanen steckt.

Claudias Fazit
Claudia hat natürlich ihre eigene Meinung zu dem Buch
 

Es geht weiter und wieder wird es spannend. Mittlerweile sind ja beide Freundinnen Mutter geworden, also auch Lenu hat zwei Töchter. Doch die Freundschaft ist vorerst weiter auf Distanz, Lila hat noch kein so richtiges Interesse an Lenus Leben. Lenu hat sich von ihrem Mann Pietro getrennt und lebt in Mailand bei ihrer Schwägerin, Pietros Schwester.

Es passiert einfach so viel in diesem Roman, dass ich erst gar nicht versuche, an alles zu erinnern. Auf jeden Fall hat sich Lenu inzwischen auf ihre alte (heimliche) Liebe Nino eingelassen und sie bekommt eine weitere Tochter, diesmal von Nino, die auch seinen Nachnamen, Sarratore, tragen wird. Leider ist Nino kein zuverlässiger Mensch und führt ein Leben, wie es ihm gefällt. Zudem hat er mehrere Affären gleichzeitig. Das wird dann auch für Lenu irgendwann zu viel. Bei aller Liebe, die sie für Nino empfindet, kann sie auf Dauer diesen Betrug doch nicht ertragen.

So kommt es, dass sie wieder nach Neapel zieht. Lila möchte bei der Gelegenheit, dass sie beide im gleichen Haus wohnen und in dieser Konstellation vergehen schließlich eine Zahl von Jahren, in denen viel geschieht. Es wird die engste Zeit, die die beiden Freundinnen mit ihren Kindern und Familien miteinander verbringen. Gegenseitig helfen sie sich bei der Betreuung ihrer Kinder. Lila wird in dieser Zeit wiederum schwanger, diesmal von Enzo und sie bekommt ein Mädchen, das sie Tina tauft – wie Lenus Puppe aus der Kinderzeit (aus dem ersten Teil der Romanserie).

Mehr möchte ich nicht verraten, auch nicht, wessen Kind verloren geht.

Mein Fazit: Es lohnt sich, alle vier Teile zu lesen. Es geht um soviel mehr als Liebe, Freundschaft und Kinder. Ich konnte mir ein gutes Bild machen über Neapel, deren Sitten, Machenschaften, Lebensgeschichten, Politik und eben ganz persönliche Dramen.

Wieder mal ein wundervolles Buch von Elena Ferrante. Und ja, ich werde sicher noch mehr von ihr lesen .

Fazit
Ich habe ja oben schon gesagt, dass ich auf jeden Fall weitere Romane von Elena Ferrante lesen werde. Das also haben alle vier Bände dieser “neapolitanischen Saga” in mir angerichet !

Weitere interessante Links dazu
deutschlandfunk.de: Elena Ferrante: «Geschichte des verlorenen Kindes»: Abschied von den genialen Freundinnen

Julia Schröder | 25.02.2018
Mit «Meine geniale Freundin» begann die Neapolitanische Saga von Elena Ferrante, mit der «Geschichte des verlorenen Kindes» endet sie. Die vier Bände mit ihren mehr als 2.000 Seiten erweisen sich als ein großes, realistisches Zeitbild Italiens aus weiblicher Perspektive.
https://www.deutschlandfunk.de/elena-ferrante-geschichte-des-verlorenen-kindes-abschied-100.html


suhrkamp.de: Das große Interview mit Elena Ferrante

Elena Ferrante zieht es bekanntlich vor, im Hintergrund zu bleiben: Sie lässt ihre Bücher für sich sprechen. Umso schöner ist es, dass sie zum Erscheinen ihres neuen Romans, Das lügenhafte Leben der Erwachsenen, eines ihrer seltenen Interviews gegeben hat. Internationale Übersetzerinnen und Übersetzer sowie Buchhändlerinnen und Buchhändler haben der Autorin ihre Fragen gestellt – und Ferrante hat sie ausführlich beantwortet.
https://www.suhrkamp.de/hintergrund/das-grosse-interview-mit-elena-ferrante-b-4099

Der Mensch ist ein wildes Tier, das versucht hat, sich mit Religionen zu zähmen, mit warnenden Beispielen seiner schrecklichen Geschichte, mit Philosophie, mit Naturwissenschaften, mit Literatur, mit der riskanten Verbindung von Güte und Schönheit, mit der durch und durch männlichen Regulierung von Konflikten, vom Duell bis zum Krieg.
Aber bis heute ist das Resultat eine weit verbreitete Form der Heuchelei: So sieht der Krieg, zum Beispiel, die Bestrafung bestimmter Verbrechen vor, die als Kriegsverbrechen definiert sind, als wäre der Krieg nicht an sich schon, seinem Wesen nach, ein schreckliches Verbrechen; die Menschenrechte, die eigentlich friedlich gestärkt werden sollten, sind ein ständiges Schlachtfeld, sie werden fortwährend verletzt oder verteidigt; der Staat besitzt das Gewaltmonopol, aber erstens trifft das nicht zu, und zweitens ist es nur allzu offensichtlich, dass dieses Monopol missbraucht wird: Weltweit wissen große Teile der Bevölkerung, dass sie vor allem die staatlichen Ordnungskräfte fürchten müssen, sogar dort, wo die demokratischen Traditionen stark sind.
(Zitat von Elena Ferrante aus eben diesem Interview)