16. April 2025

Das Licht zwischen den Meeren

M.L. Stedman

Roman. Liebesgeschichte, ebenso eindringlich wie gefühlvoll

Schon nach den ersten paar Seiten legte ich auf meiner Festplatte eine Datei an, in der ich während des Lesens meine Gedanken und Ideen zu dem Buch für diese Rezension festhielt. Das mache ich manchmal, wenn das Buch mich schon auf den ersten Seiten begeistert, so dass ich mir sicher bin, dass ich einen “Lesekracher” vorliegen habe.

Um das Thema mit den “Vorschusslorbeeren” via meine frühen Rezensionsnotizen noch kurz abzurunden: Oft beginne ich mit den Aufzeichnungen erst unmittelbar vor dem Auslesen eines Buches, sehr oft auch gar nicht. Gar nicht dann, wenn mir das Buch letztlich nicht gefiel (oder ich das Lesen sogar abbrach), so dass ich es nicht auch noch “bewerben” möchte, was ja durch eine Rezension immer auch ein beiläufiger Effekt ist. Und ein Buch/eine Arbeit eines anderen “schlechtmachen”, nur weil ich nicht zufrieden damit bin, liegt mir grundsätzlich fern, da ich weiß, wieviel Zeit, Arbeit und oft auch Herzblut der Autoren dennoch darin liegt. Denn der Grat zwischen Beurteilen und Verurteilen ist schmal und ich bin schließlich auch nicht die letzte heilige Instanz. Claudia denkt ähnlich darüber.

Also: wenn ich es gar nicht abwarten kann, meine Gedanken schon früh in einer Datei auszuformulieren, dann hat das mit der hohen Qualität der (Roman-)Texte selbst zu tun. Womit ich gewissermaßen in diesem Falle einem abschließenden Fazit irgendwie schon zuvorgekommen bin .

Temporeiche Geschichte
Ein auffälliges Merkmal des Schreibstils von M.L. Stedman ist das Weglassen von nicht für den Fortgang der Geschichte notwendigem Beiwerk, sie (oder auch ihr Lektorat) ist quasi eine exzellente “Streicherin”. Dadurch wird es nie langatmig und trotz der 444 Seiten erzeugt der Inhalt ein gewisses Tempo. Eines der vielen Beispiele dafür ist das Weglassen der Beschreibung der Hochzeit von Tom und Isabel, auch Toms Werbung bei ihre Eltern um die Tochter fehlt (sofern überhaupt geschehen – wir wissen es ja gar nicht). Die Hochzeits­vor­bereitungen, die Gästeliste – gab es überhaupt eine Feier – und dergleichen mehr. Diese Dinge wären zweifellos ebenfalls irgendwie interessant gewesen, aber für den Fortgang der Geschichte, welche die Autorin uns erzählen möchte, ist all das nicht wirklich notwendig.

Die Grausamkeit des Krieges
Die zeitliche Handlung des Buches beginnt nach dem ersten Weltkrieg, zu welchem sich der Protagonist Tom als junger Mann freiwillig meldete. Damals war für Australier die Kriegsteilnahme freiwillig, doch (zu) viele meldeten sich und sahen es vielleicht als großes Abenteuer. Die Autorin versteht es eindringlich, Geschehnisse des Krieges, die Schützengräben, das Sterben, das Verstümmeln und das ganze große Leid immer wieder so in Toms Gedankenwelt einzuflechten, dass jeder Leser auch ohne eigene Kriegsteilnahme versteht, dass Krieg eben kein Abenteuer ist. Und das jeder, der teilnahm und zurückkehrt (wenn er denn überhaupt zurückkehrt) einen Schaden fürs Leben davonträgt. Selbst diejenigen, an denen scheinbar noch alles dran ist.

Die Autorin behandelt dieses grausige Thema immer wieder mal eingebettet in die Gedankenwelt von Tom, der sich nachvollziehbar ein Leben lang nie wieder davon frei machen können wird. Und als Frau gestaltet M.L. Stedman auch dieses Thema besonders anrührend, wie zum Beispiel in einem Brief einer britischen Mutter eines (gefallenen) Soldaten an die Graysmarks (das sind die Eltern von Isabel, deren beide Brüder aus diesem Krieg ebenfalls nicht zurückkehrten). Das ist nur eine der vielen Stellen, die dem auch nur halbwegs einfühlendem Leser die ganze Grausamkeit des Krieges vor Augen führt. Sehr anrührend und auch sehr aufrüttelnd.

Es ist ganz deutlich auch ein Antikriegsbuch. Kein Heldenepos.

Die Liebe zum Meer und nautischer Stoff
Ein wenig geht die Autorin auf den Sinn und die Funktionsweise von Leuchttürmen ein. Kein Wunder, hängt daran doch die tägliche Routine von Tom, der er als Leuchtturmwärter dem ordentlichen Funktionieren dieses wichtigen Seezeichens verpflichtet ist. Ebenso beschreibt sie bei solchen und vielen anderen Gelegenheiten das Meer mit seinen jahreszeitlich und meterologisch bedingten verschiedenen Zuständen, ohne langweilig zu werden. Sondern immer mit einer Liebe zum Meer, aber auch mit Ehrfurcht vor dem Meer.

Familie, die Liebe in der Familie, zu den Kindern, der Familienzusammenhalt
All das, was meine Unterüberschrift aussagt, wird im Buch bis zur Meisterschaft thematisiert. Die Autorin M. L. Stedman ist eine Zauberin diesbezüglich und ich mag kaum glauben, dass es ihr Erstlingswerk ist. In der Innenseite des Schutzumschlages liest man u.a. folgende Rezension:
Eine bewegende Geschichte. Machen Sie sich auf Tränen gefasst.

New York Times
Stimmt.

Die Hauptprotagonisten
Es gibt derer mehrere im Buch. Ich würde da nennen:
  • Isabel, die liebenswerte, fröhlich-herzerfrischend junge Frau, deren Romanfigur allein schon die Lektüre jeder Zeile wert ist.
  • Tom, der Ehemann von Isabel, ein äußerst zuverlässiger Gefährte für diesen abgelegenen Leuchtturm auf dieser kleinen windgepeitschten Insel Janus Rock. Dessen fürsorgliche Liebe zu Isabel wird vom Leser ganz sicher an keiner Stelle des Romans angezweifelt. Er ist die zerrissenste Figur des Romans.
  • Lucy-Grace: dies ist die kleine Tochter (0-4 Jahre), mit der Isabel und Tom ein äußerst glückliches Familienleben auf der einsamen Leuchtturminsel führen.
  • Hannah – sie ist die leibliche Mutter von Lucy-Grace. Auch für sie entwickelt der Leser unwillkürlich eine tiefe Sympathie und Empathie, wie auch für die zuvor hier genannten Personen.
Es sind noch viel mehr Personen in die Geschichte um Lucy-Grace einfühlsam in die Handlung integriert. Doch besonders die vier vorgenannten wurden so fein in Szene gesetzt, dass ich als Leser ebenfalls in eine innere Zerrissenheit geführt werde. Man will, dass Niemandem in der Geschichte (großer) Schmerz zugefügt werden soll. Und doch ist es letztlich unumgänglich …

Fazit
Die Autorin zeichnet ein dankenswertes Bild, ja, sie errichtet vielleicht sogar ein Denkmal, für die Menschen, welche ein ungewöhnliches (in diesem Falle einsames) Leben – im Dienst für die Sicherheit ihnen unbekannter Menschen – auf sich nehmen. In diesem Falle für den Schutz der Seeleute auf unseren (Welt-)Meeren. Doch das Buch ist darüber hinhaus noch viel mehr, es sendet mir mehrere Botschaften, bei denen es geht um:
  • die Liebe zwischen zwei Menschen und die Liebe innerhalb der Familie
  • die Grausamkeit des Krieges
  • die Schönheit und den Wert von zuverlässiger, gewissenhafter Arbeit
  • … noch so Einiges mehr, was jeder für sich selbst erlesen muss
Es wird ganz sicher eines der besten Bücher, die wir dieses Jahr lasen. Wahrscheinlich sogar unser persönlicher “Jahresbestseller” .

Claudias Fazit
Claudia hat natürlich ihre eigene Meinung zu dem Buch
 

Die Geschichte beginnt im Jahre 1920. Eine junge Frau, Isabel Graysmark (18), führt mit ihren Eltern ein Leben in Partageuse, einem kleinen Ort an der australischen Südwestküste. Dort trifft sie ihre große Liebe Tom, einen jungen Leuchtturmwärter und zieht mit ihm auf die einsame Leuchtturminsel Janus Rock, weit draußen im Meer, 150 Kilometer vor der Festlandsküste. Die beiden führen dort als Ehepaar ein wunderbares Leben, doch Isabels größter Wunsch, ein Kind, bleibt ihr versagt. Durch diesen unerfüllten Kinderwunsch erfährt sie einen schweren Leidensweg.

Als das Paar eines Tages ein lebendes Baby und einen toten Mann in einem Boot am Strand ihrer kleinen abgelegenen Insel entdeckt, ist Isabel fest davon überzeugt, dass Gott ihr dieses Baby zum Geschenk gemacht hat. Ja, es kann gar nicht anders sein. Und sie verliebt sich in dieses kleine Mädchen und für Isabel beginnt eine neue Zeit des Aufblühens der jungen Mutter.

Tom ist glücklich, Isabel so zu erleben. Allerdings kann er mit diesem Geheimnis nicht mehr leben, dass Isabel nicht Lucys leibliche Mutter ist (wie nach außen vorgegeben). Es wird eine immer größere Belastung für ihn und so nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Mein Fazit: Ein sehr berührendes Buch, in dem ich mich wiederfinde. Denn auch ich hatte mir früher mein ganzes junges Leben lang Kinder gewünscht (und zum großen Glück auch bekommen). Umso mehr kann ich es verstehen, was Isabel seelisch alles durchgemacht hat.

Ein wirklich spannendes und emotionales Buch.