Niemals würde ich jemand beleidigen wollen, schon gar nicht, wenn er (besser: sie) so schön ist wie die Insel Brac. Dass sie die Dicke genannt wird, hebt sie lediglich von ihrer Schwesterinsel Hvar ab, die wiederum die Lange ist und von uns später besucht werden wird.
Um die Insel kennen zu lernen, mieten wir uns einen PKW. Den gibt es nicht an unserem Standort in Milna, sondern in Supetar, was achtzehn Kilometer entfernt ist. Der prima Service der Autovermietung holt uns direkt am Liegeplatz unseres Schiffes ab, um mit uns nach Supetar zu fahren. Borko Martic, der Chef fährt uns persönlich. Und er erzählt. Er erzählt mit Liebe von seiner Insel, von Brać. Von den teilweise entvölkerten Dörfern, wie Ložišca. Heute leben die Menschen meist vom Tourismus. Wie er selbst auch. Im Winter ist er nicht auf Brać. Dann ist er in ganz Deutschland unterwegs um Gebrauchtwagen aufzukaufen, die er in den Süden bringt. Seine Frau ist auch aus Deutschland, aus Karben. Hey, das ist bei uns um die Ecke. So ein Zufall! Beim Plaudern vergeht die Fahrt wie im Flug und am Stützpunkt in Supetar angekommen zeigt er uns die verfügbaren Autos und fragt: „Which one do you want?“ – Natürlich das kleine rote Cabrio!
Ich schicke Euch auch gleich vorweg, dass wir bereits beim Leihen des Autos einen Fehler begangen haben: nur einen einzigen Tag zu mieten. Brać ist viel zu groß, als dass alles an einem Tag abgehetzt werden könnte. Doch morgen ist der Termin für unsere Schiffsreparatur und so sehen wir uns heute so viel als möglich von dieser wunderbaren Insel an.
Von der Liebe zur Inselwelt und von hellem Gestein
“Was wollt Ihr in Italien oder Spanien? Hier ist das Paradies!” Stolz über die Inselarchipele Dalmatiens klingt aus seinen Worten und viel Liebe zu seiner Heimat. Während uns Borko Martić, der Chef der Autovermietung aus Supetar, von der Marina Milna mit einem bulligen Jeep zu seiner Filiale in Supetar chauffiert, erzählt er uns von seiner Insel Brać, der Schönheit der Küsten und Landschaften hier auf dem Eiland.Wir fahren durch Orte mit zugeklappten Fensterläden, deren Türen verraten, dass diese Verdunklung schon länger unberührt besteht: vor den Hauseingängen erobert sich das Unkraut sein Revier zurück, bahnt sich unerbittlich seinen Weg zwischen den Fugen des Betons hindurch. Es wachsen auch schon Kieferngewächse aus den Rissen im Boden.
“Vor Jahren wurden die Weinreben auf unserer Insel von einer schlimmen Krankheit befallen, die den Weinbauern ihre Existenzgrundlage vernichtete. Viele Leute sind nach Amerika ausgewandert, auch nach Italien. Nur die Küstenorte sind von der Abwanderung verschont geblieben, dort sind ja die Touristen.”
Wir staunen nicht schlecht, keine fünf Kilometer klatschen die Wellen der Adria an die Inselküste, eine Traumlage also und doch kann hier keiner mehr wohnen. Es fehlt schlicht an ausreichendem Auskommen.
“Kennt Ihr den Marmor unserer Insel?” Ja klar, wer hat nicht davon gehört, von diesem hellen Stein, der in Wirklichkeit kein richtiger Marmor ist, jedoch ein so beständiges und schönes Baumaterial, dass viele bekannte Gebäude mit ihm errichtet wurden: der Diokletianspalast in Split, das Rathaus in Wien und auch das Reichstagsgebäude in Berlin. Sogar bis nach Amerika wurde das helle Gestein verschifft, wo das Weiße Haus in Washington ohne diesen Stein nicht so weiß wäre.
“Die Steinbrüche bieten vielen Familien ein Einkommen. – Schaut mal hier, wie geschmackvoll diese Straßenlaternen aussehen!” Wir sind inzwischen in Supetar angekommen, wo die Straßenbeleuchtung aus dem Braćer Gestein gehauen sind, wo Blumenkübel, Boller, Bänke und viele der Gebäude sowieso in dieser hellbeigen Farbe strahlen.
Ja, stolz kann er sein auf seine Inselwelt, der Kroate, der täglich ganz selbstverständlich seine Leihwagen an Touristen vermietet und ihnen immer wieder von der Schönheit seiner Insel vorschwärmt.
Ach ja, seine Frau sei aus Deutschland, aus Karben. Na sowas, das liegt ja bei uns um die Ecke, erzähle ich und denke mir, wie klein die Welt doch ist.
Die Straße windet sich mühsam um die Insel. In Škrip werden wir von einer älteren Frau angesprochen, die ganz gerne hätte, dass wir zur ihr zur Weinprobe kommen. Nein, daran seien wir nicht interessiert. Sie habe aber auch gute Aperitifs, alles aus eigener Herstellung. Und Olivenöl. Hier wird Claudia hellhörig. Das interessiert sie, da ihr das Olivenöl direkt aus der Herstellung immer besser schmeckt als vom Supermarkt. Wir versprechen ihr also, nach unseren Besichtigungen hier im Ort bei ihr vorbeizuschauen. Es ist uns natürlich klar, dass wir bei einer so persönlichen Einladung mit großer Sicherheit etwas kaufen werden, Probe hin oder her. Auf unserem Rückweg durchs Dörflein wartet die Frau auch bereits an der Straße. Oder sie will uns abfangen, was ich für die wahre Ursache ihres Wartens an dieser Stelle der Straße halte. Nicht, dass wir ihr als Kunden verlorengingen! Sie winkt uns in eine dunkle, etwas muffige Scheune oder umgenutzte Stallung. Nach einigen Erläuterungen und Vorzeigereien ihrer natürlichen Produkte werden wir uns dann auch handelseinig, nehmen Olivenöl und eine große Flasche eines Obstaperitifs und sind sehr zufrieden damit. Wie wir bei der Konversation (alles?) verstehen konnten, ist uns nicht erklärbar. Die Frau konnte kein Wort außer kroatisch. Und wir können viele Wörter – außer kroatisch. Trotzdem hat es funktioniert.
Die Insel hat sich weltweit einen großen Namen durch ihren marmorähnlichen Kalkstein gemacht, mit dem prominente Gebäude in aller Welt erschaffen wurden. Im Steinbruch von Pucišca, wo die größte Abbaustelle der Insel liegt, schlafen riesige quaderförmige Steinblöcke und warten auf ihren Abtransport. Es ist Freitag Nachmittag und ich habe mich aufs Gelände gemogelt. Ich spaziere zwischen den stattlichen Giganten, wohl darauf achtend, sie nicht versehentlich aus ihrem Schlaf zu holen. Diese Kolosse erwecken ungeheure Ehrfurcht in mir. Unter der steilen Schnittkante am Berg steigt in mir eine Demut auf. Fast möchte ich die Arme schützend über mich halten, was freilich nichts nützen würde. Enorm, was Maschinen, von Menschen gebaute Stahlmonstrums, zu tun vermögen. Respektvoll verlasse ich diesen Ort wieder.
Brać kann sich zudem rühmen, den höchsten Berg aller dalmatinischen Inseln zu besitzen, den Vidova gora mit 778 Metern. Das berühmte goldene Horn übrigens, der Sandstrand von Brać, von dem keiner so genau weiß, ob dessen „goldene Nase“ nun links oder rechts herum zeigt, wollte sich uns nicht im Sonnenlicht präsentieren. An diesem 29. Tag erleben wir zum ersten Mal in unserer inzwischen vier Wochen langen Reise, dass es hier im Inselparadies Kroatien auch Tage ohne durchgängig strahlende Sonne gibt. Na so was!
Für Skipper | |||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
|