Kristallklares Wasser, weiß leuchtende Felsen und Sonne pur – Montenegro ist eine der letzten Oasen Europas, in die man vor der Hektik des Alltags flüchten kann. So beginnt ein Artikel für die Bewerbung des Staates mit dem so romantisch klingenden Namen Montenegro. Wer das liest und nicht schwach wird, dem ist sicher kaum mehr zu helfen …
Der Ausklarierungshafen Cavtat ist nach Dubrovnik unsere vorerst letzte Station in Kroatien. Von hier aus segeln wir in ein anderes Land: MONTENEGRO!
Montenegro – allein der Klang dieses Namens lässt einen in romantischen Vorstellungen schwelgen. Monte-Negro, klingt das nicht wie ein geschichtsträchtiges Land, von dem schon Dichter geschrieben haben? Und heute fahren wir auf dem Seeweg in das Land MONTENEGRO. Noch nie habe ich eine Gastlandflagge auf einer Yacht gewechselt oder gesetzt. Als die vermeintliche Grenze zwischen den uns schaukelnden Wellen erreicht ist, packe ich die bereitgehaltene Flagge Montenegros aus und ziehe sie – nicht ohne einer gewissen Feierlichkeit – anstelle der bisherigen kroatischen Flagge auf der Steuerbordseite neben den Mast bis dicht unter die Saling hoch. Silberne Nächte über Montenegro von Ivica Šerfezi erklingt mir jetzt in meinem geistigen Ohr wieder. Das Lied mag vielleicht schon etwas alt sein; doch es ist mir noch aus meiner Kindheit oder Teenagerzeit gut bekannt und verstärkt die ganze Romantik bei der Einfahrt in dieses neue und doch alte Land. In der Landessprache heißt das Land Crna Gora, Schwarzer Berg.
Es sind noch einige Meilen, bis Cleo in der Bucht von Kotor in den Einklarierungshafen Zelenika gelaufen ist. Denn bevor wir in Montenegro mit unseren touristischen Erkundungen fortfahren, müssen wir uns in dem kleinen Hafen einige Meilen östlich der Stadt Herceg Novi anmelden. Einklarieren ist quasi die Grenzübergangskontrolle für Fahrzeuge, die über den Seeweg in ein Land einreisen.
Mein Eintritt in das Büro des Hafenmeisters fällt offenbar genau mit dem Termin einer montenegrinischen SBF-Schulung zusammen. Zumindest begibt es sich, dass ich mitten in einer Gruppe interessierter zukünftiger junger Nautiker stehe, denen der Hafenkapitän an einer Wand-Seekarte und mit Linealen bewaffnet die Grundlagen der terrestrischen Navigation erklärt. Der Hafenkapitän-Lehrer schaut ausgerechnet mich immer wieder zwischendurch an und denkt vielleicht: „Na du Quereinsteiger, hoffentlich verstehst du, was ich hier vorführe.“
Verstehen kann ich die Karte und seine Navigationswerkzeuge schon, aber sonst kein Wort. Etwas hilflos schaue ich durch den Raum und entdecke in der Ecke den vermutlichen Adjutanten des Hafenkapitäns, der mit Schreibtischarbeiten beschäftigt ist. Durch die lauschenden Schüler kämpfe ich mich bis vor seinen Schreibtisch und mache ihn mit gedämpfter Stimme klar, dass ich hier ganz etwas anderes will als nautische Nachhilfe. Mit wichtiger Miene und auch mit strengem Augenaufschlag zu mir, sicher wegen der ungeziemen Unterbrechung seiner bedeutsamen Arbeit, weist er mir einen Warteplatz etwas entfernt von seinem Schreibtisch zu.
Kaum habe ich mich auf dem mir angewiesenen Stuhl niedergelassen, winkt er mich auch schon zu sich heran und erwartet die Übergabe meiner Schiffspapiere. Ich darf mich jetzt auf den freien Stuhl vor seinem Schreibtisch niederlassen und der Staatsdiener beginnt mit einer gebührenden Prüfung der Unterlagen. Ein paar Fragen, ein paar Stempel, ein paar Unterschriften aus seiner und meiner Feder und schon ist das Ganze erledigt. Die nautischen Schüler haben inzwischen den Raum verlassen und der „Adjutant“ (sorry, vielleicht ist es auch der Chef persönlich, er ist nur viel jünger als der navigations-lehrende Seebär mit seinem weißen Hemd zuvor) kramt in einer Nebenkammer nach den drei Euro Wechselgeld, die er mir für meinen Fünfzig-Euro-Schein geben muss. Siebenundvierzig Euro ist genau der Betrag, den wir für unser Schiff und uns als „Permit“ zu entrichten haben, um hier in Montenegro eine Zeit lang das Wasser durchpflügen zu dürfen. Er findet schließlich doch kein Kleingeld und wirft mir gleichzeitig lässig abwinkend einen Fünf-Euro-Schein hin. Nun ja, fünfundvierzig Euro sind auch genug denke ich und verlasse mit einem „Dovidjenja“ das respektheischende Büro.
Claudia wartet schon ungeduldig am Steg. Rasch legen wir ab und steuern in Richtung des Hafens von Herzeg Novi, unserem ersten Ziel in diesem schon bei der Einfahrt in die Bucht klar zu erkennenden Landschaftswunder-Land.