07. Oktober 2024

Die Geschichte der getrennten Wege

Elena Ferrante

Roman, dritter Teil der Neapel-Saga

Dieser 3. Teil der nea­poli­tanischen Saga geht (neben den privaten Lebens­wegen der beiden Haupt­prota­gonistinnen Lila und Elena) inhaltlich eher in die poli­tische Richtung: Kom­mu­nismus, Anti­kapi­talismus sind die Themen der damaligen Zeit (Ende 60er, Anfang 70er Jahre). Aber es ging auch damals schon – und das wird ebenfalls im Buch thematisiert – um die Rolle der Frau in Familie und Gesellschaft.

Uns in Deutschland sind diese politischen Verwirrungen im Italien der 70er Jahren eher unbekannt. Ich kenne jedenfalls keinen, der darüber Bescheid wusste. Es ist nicht unwichtig, weshalb ich meine drei Hauptrecherche-Links dazu hier auflisten möchte:

Exkurs: Parallelen zur heutigen Zeit
Wie gesagt, im Buch geht es auch um die damaligen politischen Wirrungen in Italien. Folgende Aussage könnte meines Erachtens auch sehr gut in die heutige Zeit in Deutschland passen. Die Autorin lässt diesen Satz Pietro Aitrota sagen, den Professor und Ehemann von Elena:
“Und das habe ich nicht getan, um dich zu schützen, sondern weil ich denke, dass man inzwischen schon eine abweichende Meinung mit einem Verbrechen verwechselt.”
Ja. Genau das denke auch ich.

Und was erfahren wir über die beiden Freundinnen?
Lila, das Mädchen mit den besten intellektuellen Voraussetzungen für ein reiches, selbstbestimmtes Leben, wird (zumindest in der ersten Buchhälfte) immer deutlicher als Verliererin im Lauf um ein schönes Leben dargestellt. Elena führt in Florenz eine Ehe mit einem Professore, deren Familie in Italien einen guten Klang genießt. Zwei Kinder runden das perfekt wirkende Bild dieser Beziehung ab.

Die Autorin Elena Ferrante beschreibt einige Dinge sehr offen, speziell auch dann, wenn es um Sex geht. Sie packt diese Themen nie einfach verschämt weg. Dann verwendet sie auch mal derbe Worte, wie sie im Rione, also den im Buch meist beschriebenen eher proletarischen Stadtteil Neapels, auch benutzt werden. Darüber hinaus lässt sie uns mitunter Details zu sexuellen Praktiken wissen, allerdings immer noch dezent genug, dass es nie vulgär oder gar pornografisch wirkt. Sondern vielmehr lät diese Offenheit uns die Gedanken- und Gefühlswelt der jeweiligen Partner besser verstehen und nachvollziehen.

Das Meer in diesem Band …
Jaaa, das Meer. In diesem Band begegnet es uns zuerst (und zuletzt) auf Seite 212, als Lila nach einigem Stress in der Fabrik mit dem Bus zur Via Marina fährt und lange am Strand umherstreift. Doch dieser Band der Viererreihe handelt darüber hinaus gar nicht vom oder am Meer. Stationen sind die Städte Neapel, Florenz und Mailand. Doch wer will und verdenken (erst recht nach Lektüre der ersten beiden tollen Bände), erfahren zu wollen, wie es mit den beiden Freundinnen und ihren jeweils so unterschiedlichen und auch wieder ähnlichen Lebensentwürfen und Lebenswegen weitergeht?

Fazit
Wiederum keine Langeweile , nur ständige Neugier, was als Nächstes kommt. Im Regal unser kleinen Dorfbücherei haben wir auch schon den vierten Teil der Saga ausgemacht. Der wird also auch noch zeitnah den Weg in unsere gemeiname Lesestunde finden. Womit zusammenfassend alles zu meiner Meinung über diesen dritten Teil gesagt ist, oder etwa nicht ?

Claudias Fazit
Claudia hat natürlich ihre eigene Meinung zu dem Buch
 

Lila ist Mutter geworden und hat alles hingeschmissen: ihren Namen, ihre Ehe, ihren Wohlstand. Sie ist bereit, ihr eigenes Geld unter extrem schweren Bedingungen zu verdienen. Ein Freund aus der Schulzeit, Enzo, nimmt sich ihrer uneigenützig an und nimmt sie in seiner Wohnung auf, wo beide zunächst in einem platonischen Verhältnis zusammenleben. Auf Enzo kann Lila sich 100%ig stützen. Auch Elena steht ihrer langjährigen Freundin bei und unterstützt sie in Lilas größter Not und Verzweiflung. Darüber hinaus gehen die beiden Freundinnen getrennte Wege.

Elena beendet ihr Studium an der «Normale» in Florenz mit Auszeichnung und zieht nach ihrer Heirat in eine angesehene norditalienische Familie zu ihrem Mann nach Florenz. Eine Weile genießt sie ihren gesellschaftlichen Aufstieg, wird Mutter. Die Zeit als Hausfrau und Mutter ist für sie eine große Herausforderung in vielerlei Hinsicht, so dass ihre Mutter und eine Haushälterin sie vor Ort unterstützen. Nach dem zweiten Kind wird ihr Familienleben mit den Kindern leichter. Dennoch stößt sie an ihre Grenzen und wird unglücklicher. Unter anderem, weil ihr Mann Pietro keinerlei Interesse an ihrer Leidenschaft, dem Schreiben, teilt.

… während mein Mann mich nie lobte, mich sogar auf die Rolle als Mutter seiner Kinder reduzierte, wollte, dass ich zu keinem eigenständigen Denken fähig war, obwohl ich studiert hatte, mich herabsetzen, indem er das herabsetzte, was mich interessierte, was ich sagte und offenbar nur unter der Bedingung bereit war, mich zu lieben, dass ich ständig meine Nichtigkeit unter Beweis stellte.
Auch darüberhinaus läßt Pietro Elenas Bedürfnisse nach Hingabe und Leidenschaft unerfüllt.

Von Lila erhält sie ebenfalls keine Hilfe.

Mein Fazit: Die Freundschaft zwischen den beiden jungen Frauen ist tatsächlich sehr einseitig. Lila erzählt immer nur von sich und ihren Problemen, sie hört Elena noch nicht einmal richtig zu und scheint mir auch kaum hinter Elena zu stehen.

Trotz alldem ist dieser Band wieder sehr fesselnd geschrieben, kein Augenblick der Langeweile. Mich als Leserin überraschen die Ereignisse ständig. Der Schluss macht mich – typisch Elena Ferrante – wieder sehr neugierig.