11. Juni 2024

Die Glücksreisenden

Sybil Volks

Zwei Frauen ringen um Zukunft, Glück und Freiheit

Heute mache ich eine Ausnahme, denn dieses Buch hätte ich normalerweise nicht rezensiert. Wir rezensieren nur Bücher, über die wir denken, dass man sie gut und gerne lesen kann oder sollte, die wir also durchaus empfehlen. Abraten von Büchern möchten wir normalerweise nicht, dann lassen wir lieber diese negativ ausfallende Rezension ganz bleiben. Denn wir wissen, wie viel Arbeit, Liebe und Herzblut mitunter in solchen Werken stecken und eine ggf. abwertende “Verurteilung” wegen persönlicher Vorlieben oder Geschmäcker ist deswegen unserer Meinung nach nicht angebracht.

Beim vorliegenden Buch mache ich eine Ausnahme. Ich rezensiere es, obwohl es mir missfällt. Ganz ohne schlechtes Gewissen dabei zu haben, weil der Roman auf der aktuell anscheinend angesagten Wokeismus-Welle mitschwimmen möchte, wofür wir kein Verstädnis aufbringen können und auch nicht wollen. Allein das Erscheinungsdatum ist uns (Claudia und mir) verdächtig. Es stammt aus dem Jahre 2018 (alles später als ungefähr 2015 ist für uns schon ein Verdachtsfall).

Ich meine Verdachtsfall in dem Sinne, dass es vom woken Ungeist eingenommen wird: Gender-Wahnsinn, Klimawandel-Nennungen, Quoten-“Neger”, Einwanderungsbesoffenheit). In Die Glücksreidenden gibt es beispielsweise auch ein lesbisches Paar. Was wir anfangs gar nicht so schlimm oder ungewöhnlich fanden, da die Autorin selbst in einer lesbischen Ehe lebt. Deswegen liegt es ja auch unseres Erachtens nahe, als Schriftstellerin so etwas in einem Buch einzubauen. Warum auch nicht. Dass sie mit einer Frau verheiratet ist erwähnt sie selbst in ihrer Danksagung am Ende des Buches, weswegen ich glaube, hierdurch an dieser Stelle kein zu hütendes Geheimnis auszuplaudern.

Doch dann kommt es im Verlaufe des Romans so, wie wir es in der aktuellen Politik und Medien auch schon nicht mehr hören können (und wollen). Und was uns letztlich zum Abbruch des Buches auf Seite 85 (von 335 Seiten) veranlasste.

So erklärt im Buch Matteo, der deutlich jüngere italienische Freund einer mit Jochen verheirateten deutschen Frau und Mutter zweier schulpflichtiger Kinder (mit Matteo hat diese Frau jetzt gerade auch noch ein kleines Baby) auf seiner Fähranfahrt auf eine Nordseeinsel einem älteren deutschen Ehepaar exakt und sehr anschaulich den Weg zu einer bestimmten Pension. Die beiden fragen den südländisch aussehenden Matteo “misstrauisch” (gemeint ist sicherlich skeptisch): “Kennen Sie sich hier aus?”.

Worauf Matteo witzig oder schlagfertig oder auch unverschämt (ich weiß nicht, was es besser trifft, diese drei ausgewählten Adverben stammen von mir): “Nein, hab ich mir eben alles ausgedacht.”

Das ältere Paar geht daraufhin (pikiert) ab.

Kurz nach dieser Szene fügt dann die Autorin noch hinzu:

Selbst wenn er [Anmerkung: gemeint ist Matteo] nicht im Ruhrgebiet geboren wäre, sondern auf ebendieser friesischen Insel und reinstes Inselfriesisch spräche, würde man ihn fragen, wo er herkommt, also ursprünglich. Manchmal auch, wo er denn so gut deutsch gelernt habe.
Und dann setzt sie noch eine direkt an die (zu ihrer Meinung nach zu erziehenden) Leser adressierte Belehrung drauf:
Ja, sein vortreffliches Deutsch, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, stammt aus Hamburch.

Bis zu dieser Stelle hat Sybil Volks ja bereits so allerhand reingepackt in die Geschichte, was uns eher missfiel: (1) Familie bricht wegen Fremdgehen auseinander; (2) der Fremde ist ein Jüngerer (Thema: ältere Frau nimmt sich jungen, vitaleren Lover), (3) er ist zudem noch (südländischer) Ausländer (zumindest von seiner Herkunft her); (4) dieser ist sehr (“selbstverständlich”)gebildet, versteht sich dann noch blendend auf die deutsche Sprache und kann sich geschliffen ausdrücken (siehe Wegbeschreibung). (5) Das deutsche ältere Paar (auf der Fähre) wird dagegen als altbacken, vielleicht sogar etwas dümmlich dargestellt.

Und: es ist uns als Deutsche im eigenen Land inzwischen fast schon verboten, einem offensichtlich ausländisch aussehendem Mitbürger nach dem Woher (aus welchem Land) bzw. nach seiner ursprünglichen Abstammung zu fragen. Das nennt man inzwischen dann wohl ausländerophob oder gar rassistisch motiviert.

Ich persönlich frage selten einen Fremden nach so etwas. Einfach weil es mich nicht interessiert. Doch werden wir im Ausland immer gefragt, wo wir herkommen. In Südostasien ebenso wie in den USA. Es ist kein Zeichen von Rassismus oder Ausländerfeindlichkeit oder Ähnliches. Die Nachfrage ist vielmehr ein Zeichen von Interesse oder eben die Bemühung um einen freundlichen Smalltalk. Unsere heutigen selbsternannten Streiter für jeden Ausländer (und manchmal meines Erachtens nach vielmehr noch Kämpfer gegen alles Deutsche) möchten offenbar jegliche Kommunikation unter den Menschen lieber schon im Keim ersticken oder zumindest sich selbst als soviel verständiger darstellen.

An dieser Stelle waren wir schon skeptisch, ob wir das Buch bis zum Schluss lesen werden. Es brauchte dann allerdings noch ein paar Seiten, bis wir dann endgültig wussten, dass diese Art Geschreibsel und Zurechtweiserei (Normalisierung von Sex mit Gelegenheitsbekanntschaften, Seite 77: “… oder weil sie noch nicht den richtigen Kick oder Fick bekommen haben, um … nach Hause ins Körbchen zu gehen.” oder wiederum belehrende Leseransprache auf Seite 67: “… , liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, …”) nichts für uns ist.

Achso, die Klimawandel-Erwähnung hatten wir in diesem Buch spätestens schon auf Seite 54/55. Und mit sowas von unhaltbaren Aussagen, dass sich ein normal denkender Mensch an den Kopf greifen muss:

«An dieser Stelle ging Ominge, als sie ein Kind war, bei Flut das Wasser bis hier.» Gesa hält die Hand vor Kajas Brust. «Mir stand’s als Kind schon bis zum Hals. Heute würden wir hier überspült.»
«Ja, und demnächst die ganze Insel», sagt Marten, «wegen dem Klimascheiß»
Mein Kommentar dazu: “Loslach – Prust”. Und gleichzeitig Verärgerung wegen soviel Verklärung, die in diesem Buch geleistet wird.

Fazit

Vielleicht sind wir zu alt(-modisch), doch wir bevorzugen Romane, in denen das traditionelle Familienbild noch einen Stellenwert hat und nicht dem Wokeismus und letztlich der Vereinzelung und Vereinsamung von Menschen geopfert wird.

Wir hoffen zudem, derartig woken und “erzieherischen” (=zurechtweisenden, klugscheißerischen) Inhalt in Zukunft bei anderen Büchern bereits früher zu erkennen. Und uns dadurch die unnütze Zeit bis zur Seite 85 zu ersparen.