18. Dezember 2022

Im Banne der Südsee

Reisebeschreibung von Alma M. Karlin (1889-1950)

Als Frau allein unter Pflanzern und Menschenfressern, Sträflingen, Matrosen und Missionaren

Claudia und ich waren uns ja schon nach der Lektüre unseres ersten Buches von Alma M. Karlin einig: «von dieser Autorin wollen und werden wir noch mehr lesen.»

Und hier sind wir also, beginnen in der Mitte ihrer Buch-Trilogie über ihre achtjährigen Reise um die Welt. «Im Banne der Südsee» folgt chronologisch eigentlich nach «Einsame Weltreise», doch noch vor «Erlebte Welt, das Schicksal einer Frau». Doch das tut dem Ganzen keinen Abbruch, handelt es sich doch um eine Reisebeschreibung, wo die aktuellen Geschehnisse weitgehend unabhängig von den vorausgegangenen Geschehnissen sind .

Mit dem «Schicksalswind» hat die vorliegende Reise­beschreibung im Wesentlichen lediglich die Gegend der Handlung gemeinsam: die Südsee, namentlich hauptsächlich Melanesien. Denn im Gegensatz zu Schicksalswind gibt es hier natur­gemäß keine drama­turgisch auf­bereitete Handlung. Literarische Elemente wie einen Spannungs­aufbau über Spannungs­haltung/-verstärkung bis hin zur Auflösung kann es also nicht geben. Vielmehr geht es einfach voran entlang der Wegstrecke, Stück für Stück, immer per Schiff. Manchmal ganz kleine Wasserfahrzeuge, die von ihrer Größe wahrscheinlich eher als Kahn zu bezeichnen sind. Und genau das ist ein Teil des Abenteuers, welches Alma M.Karlin unterwegs erlebt.

Ihre teils aus subtilen Beobachtungen der Menschen, der Verhaltensweisen, aber auch der Natur und nicht zuletzt ihres eigenen Befindens zusammengesetzten Schilderungen sind plastisch. Der Leser versteht, was sie meint, was und wie sie fühlt. Man begreift ihre Einsamkeit: erstens ist sie allein unterwegs, trifft fast ausschließlich ihr völlig unbekannte Menschen. Zweitens, für sie noch viel schlimmer: sie fühlt sich allein gelassen von der Welt, von der Presse und Literatur-“Industrie” in Deutschland bzw. Österreich, von den nur allzu spärlichen Honorarzahlungen, die sie sich von dort für ihre anstrengenden Bemühungen eigentlich in ganz anderer Höhe erwartet. So hangelt sie sich voran von Insel zu Insel in der tropischen Südsee, meist in einfachsten Behausungen und oft auf die Hilfe und das Wohlwollen der dort lebenden Menschen angewiesen.

Für einen, wie mich, der bisher nie in der Südsee war, sich aber dahinwünscht, den die Tropen (allein schon das Wort!) schon immer anzogen, ja für den enthält das Buch soviele Bestätigungen für dieses Interesse, dass es sehnsuchtsverstärkend wirkt. Karlin beschreibt die Natur, die Strände, die Palmen, die tropischen Urwälder, die Tiere um sie herum (OK, oft sind es nervende Moskitos und lästige Kakerlaken), dass jede Zeile irgendwie anziehende Fremdartigkeit, eben Exotik, ausstrahlt. Der Reisende schwitzt dort viel: OK, alles ist besser als frieren (oder ).

Andere Leser mögen die Erfahrungen der kleinen Schrift­stellerin mit ihren großen Unter­nehmungen eher abschrecken (siehe unten, was Claudia darüber schreibt). Doch vergessen wir nicht: die insgesamt achtjährige Reise Alma M.Karlins um die Welt dauerte von 1919 bis 1927. Seidem hat sich vieles geändert, auch in der Südsee. Übrig bleibt in meinen Vor­stellungen immer nur das Paradies .

Mitunter ist sie sehr scharfsinnig bei der Beobachtung von Menschen und Bevöl­kerungs­gruppen. Aus heutiger Sicht besonders interessant scheint mir beispiels­weise folgende ihrer Aussagen über die Japaner, die ich deshalb gerne hier im Original­text wiedergeben möchte:

Die Japaner haben den Schwung der Europäer mit asiatischer Tiefe vereint. Wehe uns, wenn sie zu Macht kommen werden, die Großen vom anderen Ende der Welt, die sich nicht wie wir in innerem Hass zersplittern, sondern rasseneinig einem Ziel zusteuern!

Fazit

Wir haben genau zwei Monate gebraucht, um gemeinsam dieses Buch zu lesen. Das ist lang. Ursache waren die teils doch schwierig zu lesenden Texte: zum einen fällt mir immer noch das flüssige Lesen dieser altdeutschen Schrift schwer (besonders bei Eigennamen). Aber ich hatte auch das Gefühl, ab und an hätte sie einen Satz mehr schreiben können: ist sie jetzt (wieder mal) an Bord eines Schiffes gegangen oder ist sie noch am Strand oder erfahren wir gerade über eine Anekdote, die sie bereits einmal zuvor auf einem Schiff erlebte? Andererseits setzt sich das Buch weitgehend aus sehr kurzen Kapiteln zusammen (ein bis drei Seiten). Und da Claudia und ich häufig nach ihren Erzählungen Gesprächsbedarf hatten, ging unsere Mittagspause auch oft ohne “viele Seiten hinter uns” vorrüber.

Claudias Fazit
Claudia hat natürlich ihre eigene Meinung zu dem Buch 🙂
 

Eine Reisebeschreibung von zwei langen Jahren.

Eine mutige Frau, die sich traut, alleine zu reisen in den 1920ern, also im letzten Jahrhundert, in der sicherlich keine Frau alleine eine solche Reise je hatte machen wollen.

Ja, sie war eine tapfere, empfindsame, zierliche Frau, die sich selbst als nicht besonders schön beschreibt. Sie beschrieb ihr ganzes Leid während dieser Reise immer wieder aufs Neue, so dass man tatsächlich viel Mitleid bekam.

Und immer wieder denke ich als Zuhörererin – mein persönlicher Vorleser ist ja Thomas, der alle Bücher, die wir lesen stets kraftvoll und betont liest – also ich denke: nein, da möchte ich nicht mit Alma M. Karlin tauschen. All die Krankheiten und Fieber und die Umstände mit den Menschen, den Menschenfressern, den Matrosen usw..

Oft fragte ich mich, wie sie das alles nur aushält und warum sie die Reise niemals abbricht. Ich denke, es war ihre Passion, alles Erlebte zu dokumentieren und niederzuschreiben, all das Elend und alles, was sie erfahren hat.

Sie ist mit ihrer Schreibmaschine Erika treu verbunden und es ist ihr wichtigstes Werkzeug, dass immer bei ihr ist. Sie hat eine wunderbare Art zu schreiben mit einem Humor, den sie selbst nicht erlebt – ganz im Gegenteil. Sicher, sie bekommt immer wieder Hilfe von Menschen vor Ort, hauptsächlich von Europäern, die meist in Missionen leben. Auch zeichnet und malt sie, was sie in der Natur antrifft, denn sie hat in damiliger Zeit keine Kamera dabei.

Trotz alledem konnte ich beim Vorlesen oft nicht die ungeteilte Aufmerksamkeit halten. Oft hatte ich einfach keine Bilder im Kopf und wusste nicht immer: wo ist sie gerade? Was meint sie hiermit oder damit? Es fehlen mir zwischendurch Infos, vielleicht nur ein. zwei kurze Sätze zur näheren Erläuterung.

Am Ende stellte ich für mich fest, dass ihr erlebtes Leid einfach permanent spürbar war. Es taucht einfach keine Freude auf – die hat sie ja auch nicht erlebt, was sie auch immer wieder betont.

Fazit für mich: In dieser Zeit in der Südsee zu sein ist nach diesem alten Schmöker nicht mein Traum. Das heißt: ich hätte keine Minute mit ihr tauschen wollen.