29. Mai 2025

Im Kampf um die Welt

Erzählung von Wilhelm Schreiner (ca. 1870 – ca. 1942)

Über die Missionierung des Batakvolkes auf Sumatra

Eigentlich geht es hier um drei Büchlein, bei dem jeweils das eine das andere textlich enthält. Das dünnste von ihnen, Pioniere hatte ich schon mal rezensiert und merkte damals im Fazit bereits an, dass ich das Ursprungsbuch, eben dieses hier zu besprechende Buch, Im Kampf um die Welt nicht mehr lesen werde. Doch irgendwie bestellte ich mir das Buch beim Stöbern in booklooker dann doch versehentlich (wie kann das passieren? – tja …) – und später bestellte ich dann dann auch noch Kampf ums Batakland, weil mich die Neugier dann doch ins Lesen trieb.

Also, der umfassendste Text steht in Im Kampf um die Welt (ca. um 1925), danach kommt Kampf ums Batakland (1943) mit einer etwas gekürzten Version und das dünnste Büchlein (eigentlich Heftchen) mit der stärksten Kürzung ist die Pioniere.

Warnung
In Pioniere wurden insbesondere Gewaltszenen weggelassen, die für Zartbesaitete nicht leicht zu verdauen sind. Mir ging es jedenfalls so, obwohl ich andererseits nicht unbedingt einer bin, der solche Szenen weglassen würde, denn dann erfasst man oftmals den Gesamtkontext des Textes nicht in ganzer Tragweite.

In diesem Falle muss man wissen, dass die Batak ein sehr (furchtbares) kriegerisches Volk in Sumatra waren, tatsächlich Kannibalen, die bereits vor Nommenson Missionare verspeisten. Auch übten sie mitunter grausame Rituale aus, deren Sinn sich uns nicht immer erschließt. Und mit den Opfern wurde nicht unbedingt sehr zimperlich umgegangen.

Nommensons Verdienst in der Realität: als Nommenson 1918 starb, gab es im Batakland 180.000 Mitglieder in der christlichen Kirche! Heute sind es bereits 2,5 Mio Christen, die Batak sind eingroßartiges friedliches Volk geworden, Musiker und Sänger, die größte evangelische Kirchengemeinde in Südostasien.

Aufteilung der Welt
Ich persönlich halte solche alten Bücher für sehr lehrreich, selbst wenn man Wilhelm Schreiner durchaus unterstellen mag, dass er das zu verbreitende Christentum idealisiert. Doch die Titelgebung «Im Kampf um die Welt» allein schon zeigt den Stellenwert der Missionierung für die Europäer der damaligen Zeit deutlich an. Ja es geht um mehr als nur Christianisierung, sondern buchstäblich um die Aufteilung der Welt. Als “Konkurrenz” zum Christentum standen nicht nur die vielleicht animistischen Religionen dieser teils noch ursprünglichen Inseln, sondern die damals bereits weit fortgeschrittene Islamisierung der indonesischen Inselwelt. Damals noch “Moslemisierung” genannt wird die Konkurrenz in der Eroberung Sumatras und insbesondere des Bataklandes in Schreiners Erzählung immer wieder erwähnt. Es ging um Tempo, wer ist schneller, effektiver.

Über Umstände und Schwierigkeiten der Anfangszeit
Der interessierte Leser bekommt einen guten Einblick in die harte Ungewohntheit des Lebens unter den Batak, die die Missionare erwartet, hier namentlich Ludwig Ingwer Nommensen. Das, nachdem er es überhaupt erst einmal so weit bringen musste, unter den Batak in deren Dorf leben zu dürfen, was vielen zuvor jahrelang nicht gelang (diese nahmen meist ein schnelles und/oder schreckliches Ende).

Doch selbst damit war noch lange nicht die von Nommensen angestrebte Christianisierung in Reichweite:

Wer Christ ward, ging alle Rechte an dem bei den Bataks nach alter Adat [=Überlieferung] gemeinsamen Besitz an Feldern, Fruchtbäumen und Gärrten verlustig, sobald er sich weigerte, an den Steuern für die heidnischen Feste teilzunehmen und weiter die Opferbräuche mitzumachen. Man stieß die Christen aus der Dorfgemeinschaft aus: Hohn und Spott brandeten an den Abgefallenen hoch.

Was macht Nommensen letztlich so erfolgreich?
Der nordfriesische Missionar wird in der Erzählung etwas glorifiziert dargestellt. Ganz sicher war er ein über alle Maßen charismatischer Redner: Todfeinde verwandelten sich bei bei seinen Worten zu seiner Gefolgschaft. Er bleibt immer gelassen, immer die Ruhe selbst. Praktisch arbeitet er als Lehrer für die Kinder, denen mit der Zeit auch kleine Schulräume errichtet wurden bzw. die später in den entstandenen Gotteshäusern und Kirchen unterrichtet wurden. Eine weitere, wichtige Säule seines Erfolgs war die Zuwendung zu den Kranken, die Fähigkeit, auch für bisher als ausichtslos gehaltene Fälle mit seinen “Kügelchen und Tropfen” zu heilen. Hier ein Ausschnit aus seinem Tagebuch (nur im Kampf um die Welt), von dem nicht ganz klar wird, ob es dies wirklich gab oder ob es eine literarische Erfindung Wilhelm Schreiners war:
Im ersten Februar-Sonntag 1899. – Die Morgenglocke um halb sechs läutete einen wirklichen Sonntag ein. Gegen sieben Uhr klangen die ersten Lieder der Arzneibitter, mit denen einer meiner Lehrer die Morgenandacht hielt. Ein halb hundert Leute mindestens. Zuerst kam an die Reihe ein verbranntes Kind, mancherlei Augenkranke, darunter eine vorige Woche am Star operierte Frau, Fieberkranke, Wassersüchtige und Frauen mit Unterleibsleiden.
Und diese Tätigkeiten behält Nommensen beharrlich bei:
Unverdrossen fügte der einsame Kämpfer ein Tagwerk der Liebe zum anderen. Lange blieben die Furchen, in die er die Saat gestreut, winterlich dunkel; bis wie im Lenzwehen ein frühlingsfrohes Keimen begann.

Oben im Zitat steht ja schon “… einer meiner Lehrer …”. Nommensen hat also erkannt, dass er, um erfolgreich sein zu können, “viral” gehen muss. In seinem Tagebuch führte er deswegen auch aus:

Es wird das Ziel der ganzen jungen Batakkirche werden: Mission an den Batak durch Batak.

Die Konkurrenz: Animistische Lehren und der Islam
Heute wissen wir, dass Indonesien der größte islamische Staat der Erde ist. Das gilt auch für die größte Insel des Archipels, für Sumatra. Und wer einmal in Indonesien war, selbst wenn es das hinduistische Bali war, hat gelernt, dass die Indonesier auch heute noch sogenannte Animistische Bräuche ausüben (zum Beispiel die Feuerbestattungszeremonie).

Somit musste Nommensen gegen zwei Konkurrenten bezüglich des Glaubens der Batak ankämpfen: die animistischen Sitten und Bräuche (die sehr grausam sein konnten) und den Islam, der aggressiv von Norden her nach den Sumatra-Insulanern griff.

Seit Beginn ihrer bereits drei Jahrzehnte alten Arbeit steht hier die Mission in erbittertem Ringen gegen den schon vor ihr eingebrochenen Islam. Angriff und Verteidigung, Vordringen und Geländeverlust wechseln.
… hier unten zwei Fronten: Ein Kampf sowol mit batakischem Heidentum als mit dem Islam.

Auch Mißverständnisse über das Christentum als Freibrief für unrechte Taten mussten die Missionierungen widerlegen (Ähnliches wurde ja auch schon von den Indianern Südamerikas berichtet):

Wenn so der Fatalismus: “Ich bin, wie ich bin, Gott hätte mich besser machen sollen,” unwiderstehlich überwunden wird, erst dann ist der Weg zum inneren Aufstieg da.

Fazit

Allein dass ich über das dünne Büchlein (max. 130 Seiten) so viel schreibe, zeigt ja schon an, dass ich das Gelesene für mehr als erwähnenswert halte und die Erzählung sehr interessiert gelesen, ja “durchgearbeitet”, habe. Obwohl ich eher nicht christlich oder überhaupt religiös geprägt bin. Die begeisterte und begeisternde Schreibe Wilhelm Schreiners, die mancher vielleicht als schwülstig abtun mag, hat mich dabei ebenso fasziniert (Schreiner brannte für das, worüber er schreibt) wie die Geschichte dieses beharrlichen norddeutschen Mannes, dessen Durchsetzungsvermögen am anderen Ende der Welt zum Erfolg führte.