01. Mai 2025

Orkan über Jamaika

Richard Hughes (1900 – 1976)

Roman in der Karibik

Ich kannte bereits den Film Sturm über Jamaika aus dem Jahre 1965 mit Anthony Quinn und James Coburn, an den ich mich wegen der schönen exotischen Bilder erinnerte, der aber darüberhinaus keine weiteren Erinnerungen in mir hinterließ. Dennoch kaufte ich mir dieses Buch, denn die bringen einem ja oftmals besser das Geschehen samt Hintergründe näher, als es ein 100 Minuten Spielfilm vermag.

Tatsächlich war ich keineswegs enttäuscht von dem Buch. Man hätte die Story richtigerweise sogar anders betiteln können, Verantwortung wäre mein Titel gewesen. Doch mit so einem gewichtigen aber langweiligen Schriftzug auf dem Buchdeckel hätte der Roman möglicherweise kaum den Weg zu den Lesern gefunden. Zu mir jedenfalls nicht .

Aber jetzt der Reihe nach.

Die Kulisse: Exotische Karibik und historische (Segel-)Schiffe
Genau meine Literatur, möchte ich meinen, es kommt alles zusammen, was ich mir von einem Exotik-Roman erwarte, der pure “Urlaubsflair”. Allerdings haben wir es hier damit zu tun, dass zwei englische Familien auf Jamaika ihre Sprösslinge wegen der unberechen­baren Sturm­ge­fahr einerseits, aber auch für eine bessere Ausbildung diese sieben Kinder (aus zwei Familien) in die Obhut eines Passagier­schiffes mit Ziel London/England geben. Doch noch in karibischen Gewässern wird die Bark mit den Kindern von Piraten gekapert und alle sieben Kinder landen irgendwie auf dem Schoner der Piraten, mit denen sie nun durch karibische Gewässer segeln und einige Abenteuer erleben. Die Kinder verarbeiten diese Erlebnisse auf ihre Weise (zumindest äußerlich besser als man glaubt) und die Piraten erweisen sich menschlich auch nicht schlechter, als die Besatzung eines jeden anderen Schiffes.

Verantwortung
Das Hauptthema, über das man als nachdenklicher Leser immer wieder stolpert, ist Verantwortung. Die Kinder im Alter von etwa vier bis dreizehn Jahren (OK, Margaret ist vielleicht zwischen dreizehn und fünfzehn?) sind ohne ihre Eltern auf sich gestellt, doch andererseits noch nicht erwachsen genug, um für sich selbst die Verantwortung zu übernehmen. Wer übernimmt diese also? – Wohlgemerkt, es sind ja auch Erwachsene an Bord: die Piraten. Auf dem Papier sind die Piraten selbstverständlich nicht verantwortlich für die Kinder (anderes Wort: “erzehungsberechtigt”). Doch die Umstände führten zu dieser Situation, wo niemand sonst diese Aufgabe übernehmen könnte. Wer trägt also die Verantwortung für alles, was mit oder durch die Kinder an Bord (oder auch auf Landgängen) geschieht?

Im Deutschen Recht gibt es dazu den Begriff Schutzbefohlene, insbesondere im Strafgesetzbuch. Dort bekommt dieser Begriff eine zentrale Bedeutung. Wenngleich im Falle von Orkan über Jamaika kein Erziehungsberechtigter (also mindestens ein Elternteil der Kinder) dieses bei einer Übergabe der Kinder an die Piraten ausgesprochen hat, so gilt unter zivilisierten, also moralisch geprägten Menschen dann doch, dass man sich nicht (also die Piraten sich nicht) gegen diese faktisch entstandene Schutzbefohlenheit wehren kann. Die daraus erwachsene Verantwortung ergibt sich einfach. Im Ausklang des Buches wird dies auch mehr oder weniger deutlich durch ein Gerichtsurteil klargestellt.

Das Thema Verantwortung wurde metaphorisch bereits sehr gut vom Titel der Erstveröffentlichung des Romans in den USA im Jahre 1929 getroffen: The Innocent Voyage.

Aufbereitung des Themas/Schreibstil
Der Autor hat sich eingehend mit der Psyche und Gedanken­welt von Kindern aus­einander­gesetzt, das merkt man. Das ist auch ein wichtiger Teil des Buches, wir sollen uns ja in die Welt der Kinder, also auch insbesondere die der zehnjährigen Emily hinein­versetzen können. Dieses Nachfühlen ist freilich gleichsam wichtig für das Verständnis der Dinge, die Richard Hughes uns mit seinem Roman sagen will. Manchmal etwas witzig geschrieben (einmal Lachen oder Lächeln pro Umblättern ist ja auch wichtig beim Lesen ). Über den Unfalltod eines Affen und später sogar über den Unfalltod eines der Kinder wird recht zügig hinweggegangen. Doch das gehört meines Erachtens genau dazu, damit der Leser aufgerüttelt wird, ein Gespür für das Hauptthema bekommt, eben Verantwortung.

Fazit
Es war eine gute Geschichte zu Lesen: Exotik, Meer – aber auch Witz, Spaß an den Aktionen der Kinder, Stoff zum Nachdenken.

Richard Hughes hat nach diesem noch einen weiteren Roman verfasst: In Bedrängnis. Auch wieder auf einem Schiff auf dem Meer. Den habe ich mir während der Lektüre des vorliegenden Romans schon mal im Antiquariat (für kleines Geld) zugelegt .

Claudias Fazit
Claudia hat natürlich ihre eigene Meinung zu dem Buch
 

Dieses Buch hat mir recht geut gefallen. Auch wenn uns ganze Geschichte weniger in Dialogform, sondern eher in “erzählerischer Form” nähergebracht wurde (es gibt teilweise einen unbekannten “Ich”-Erzähler, den wir aber selbst nie kennenlernen).

Gefallen hat mir das Buch deshalb, weil es um Kinder geht, die auf Jamaika und auf einem Piratenschiff viele Abenteuer erleben. Auch wenn es für die Kinder einige Gefahren gab, und ich als Erwachsene auf einem Piratenschiff viele Ängste durchlebt hätte, so ist es doch erstaunlich, wie Kinder noch in einer anderen Welt leben. Sie reagieren einfach und erleben es als Abenteuer, dass Piraten an Bord sind und wenn ein Schiff gekapert wird. Ansonsten ist das Schiff für sie ein riesiger Spielplatz, auf dem die Piraten die Kinder gewähren lassen, wo es auch viel zu entdecken gibt und die Fantasie viel Raum bekommt.

Auch die zehnjährige Emily, die unter den Kindern die Hauptrolle des Romans spielt, hat Freude und Spaß und empfindet sogar Sympathie für die Piraten. Doch einmal kommt sie in eine Situation, wo sie alleingelassen und in Panik etwas ganz Fürchterliches tut. Aber sie kann es anschließend gut verdrängen. Ich glaube, sie hat diese Paniktat aus einem Selbstschutzgedanken heraus getan.

Solche Erlebnisse kann und muss ein Kind meiner Meinung nach wirklich erst mal verdrängen. Doch mehr verrate ich nicht.

Mein Fazit: Lesenswert.