Sarandër liegt ganz im Süden der albanischen Riviera, die sich von der Grenze Montenegros bis zur Grenze Griechenlands zieht. Die Stadt mit etwa 30.000 Einwohnern ist Tourismus gewöhnt, vorwiegend von albanischen Touristen. Eine touristische Infrastruktur ist deshalb vorhanden, Restaurants und Hotels öffneten in den letzten Jahren vermehrt ihre Pforten.
Geht man durch die Stadt, fallen einem Fassaden mit farbigen Balkonen auf, deren Bauzeit offensichtlich nicht weit zurückliegt. Daneben mehrstöckige Wohnhäuser, deren Äußeres viele Besucher mit dem Ostblock verbinden: leicht verfallen, beschädigter oder gar kein Putz. Es wirkt, als wäre der Putz irgendwann einmal abgeklopft und nicht wieder erneuert worden. Trist. Geht man entlang der langen mit Palmen und mit parkähnlichen Anlagen verschönerten Strandpromenade, dann fühlt man sich wieder westlichen Standards angenähert. Albanien ist im Aufbruch. Der Rohbau einiger Hotelbauten ist fertig, doch keinerlei Baustellenausrüstung oder Arbeiter sind mehr zu sehen. Hier wartet man mit der Vollendung ab – die Nachfrage ist offenbar noch nicht stark genug.
Das Wetter ist ebenso herrlich wie im angrenzenden Griechenland: trockenes Klima und annähernd 300 Sonnentage im Jahr. Es gibt einen Hafen, wo die Schiffe aus Korfu ankommen und ebenso kleinere Frachtschiffe anlegen. Auch die Fischer haben ihre Boote nahe des Stadtstrandes liegen. Der Strand ist kiesig, das Wasser klar.
Interessant sind die vielen Mercedesse auf den Straßen dieses armen Landes: geschätzt sicher ein Drittel des PKW-Bestandes stammt vom Stuttgarter Autobauer. Dabei spielt es offenbar keine Rolle, ob die Limousine recht neu oder älteren Datums ist: Hauptsache Benz. Die Marke hat den Ruf der Robustheit, und das braucht man hier auch: die Straßen sind staubig und holprig. Fehlende Kanaldeckel habe ich selbst nun nicht gesehen, doch 30 Zentimeter tiefer als der Straßenbelag sind sie durchaus schon mal.
Auf den Straßen schauen die Menschen neugierig auf einen. Sicher auch, weil ich mit meinem roten Kopfschmuck und der großen Kamera auffalle. Doch ins Gespräch komme ich mit keinem. Nur mit der Reiseleiterin, die uns mit dem Bus nach Butrint und durch die Ausgrabungsstätte fährt. Doch dazu im nächsten Abschnitt.
Nach dem diktatorischen Hoxha-Regime machte sich in den 90ern Goldgräberstimmung breit. Geld aus oft undurchsichtigen Quellen wurde in neuen Häuser und Betonburgen angelegt – ohne Antrag und Baugenehmigung. Bevor die Behörden dahinter kamen, standen bereits viele der Beton-Rohkastelle. Die nachzuzahlende Genehmigungen wurden von den wenigsten Bauherren entrichtet. In ihrer Not sah die Regierung nur einen Weg: Sprengung der unfertigen Häuser, um ein weiteres ungenehmigtes Bauen zu verhindern. Das ist jetzt schon viele Jahre her. Die Fotos entstanden auf der Busfahrt von Sarandëer nach Butrint.