26. Dezember 2023

Die Meeresflüsterin

Roman von Katryn Berlinger

Ostsee-Roman um 1905/06

Soviel Spannung im Roman, dass wir oft vor unseren gemein­samen Kaffee-Lese­stunden schon erwar­tungs­voll sagten: «Lass uns mal schauen, was Fenja heute wieder macht!»

Fenja ist der Name der Hauptprotagonistin dieses Buches, die uns im Laufe der Seiten gewissermaßen ans Herz wuchs. Doch letztlich genossen wir die gesamte Geschichte, die im Ahlbeck (Usedom) der Jahre 1905/1906 spielt. Die historischen Eckpunkte erscheinen uns gut recherchiert.

Eine ganze Reihe interessanter Problemkreise fließen dabei in die Geschichte ein: die Ablösung der Aristokratie durch die Bürgerlichkeit, der Begriff der (Soldaten-)Ehre, neue Heilmethoden (Entwicklung von Antibiotika, Heilung neuorologisch begründeter Lähmungen) und noch vieles mehr. Es ist die Zeit, als sich Deutschland von einem Agrarstaat zur zweitmächtigsten Industrienation Europas entwickelt (nach Großbritannien). Auch erfahren wir am Rande etwas über militärische Aktionen Deutschlands in Afrika zu dieser Zeit.

Besonders interessant in dieser Epoche ist die Ablösung des Adels im gesellschaftlichen Kontext, der sich ganz deutlich in der durch Kaiser Wilhelm II. verabschiedeten Kabinettsorder über den Offiziersstand (29. März 1890) zeigt. Diese kaiserliche Order gestattet es jetzt neben dem Adel auch Bürgerlichen, in das Offizierskorps zu einzutreten, was mit dem Slogan «Aristokratie der Gesinnung» benannt wurde. Bis dahin war dies ausschließlich dem Adel vorbehalten. Die durch Bildungshunger erstarkende Bürgerlichkeit mit ihren großen wirtschaftlichen Erfolgen erobert zu dieser Zeit einen immer stärkeren Einfluß im deutschen Kaiserreich.

Liebe bzw. kriegen sie sich oder kriegen sie sich nicht? ist immer ein sicheres Thema, um Bücher spannend zu machen, weil eigentlich jeder mit dem Paar (oder noch-nicht-Paar) mitfiebert. Und so ist die Liebe (trotz vieler Unter­geschichten und Wendungen dieses Romans) auch hier der rote Faden, der den Zuschauer bei der Liebes­geschichte zwischen der einfachen Fischerin Fenja und dem Adligen Rittmeister Achim von Bening wirkungs­voll bei der Stange hält.

Die Autorin versteht es, anscheinend spielerisch, durch ein hohes Tempo beim Fortlauf der Geschehnisse die Handlung in Gang zu halten (trotz der 428 Seiten). Auf den letzten 30 Seiten, wo man vielleicht annehmen möge, es klingt jetzt gemächlich aus und geht nun problemlos auf ein Happy-End (oder eben Tragik-Ende) zu, dann dreht Katryn Berlinger noch mal richtig auf und schaltet noch einen Gang höher. Mehr möchte ich hier dazu nicht verraten, doch wir mochten dann das Buch trotz anderer Zeitplanung gar nicht mehr zur Seite legen :-).

Das Meer spielt dabei immer eine große Rolle: anfangs arbeitet Fenja als Fischerin am Strand, später kommt sie immer wieder zum Meer zurück, zusammen mit ihrem “Zögling” Berthold oder auch allein. Dort finden auch viele – den Stoff vorantreibende – Gespräche der Protagisten untereinander statt. Doch weshalb das Buch den Namen Die Meeresflüsterin trägt, wurde uns nicht klar. Wir empfinden es allerdings nicht als Makel und vermuten, dass dieser Titel den Buchverkauf ankurbeln sollte.

Noch etwas zum historischen Bezug des Buches
Wir mögen aktuell gerne auch Romane mit historischem Hintergrund wie eben den vorliegenden Band. Dies besonders auch deshalb, weil neue Romane mit aktuellem Zeitbezug oft Quotenneger, schlechtes Deutsch – Gendersprache, LGBT (Schwule, Lesben, Transen) beinhalten und uns immer mal wieder gerne unserer angeblichen (deutschen) Schuld der ganzen Welt gegenüber ermahnen. Die Wörter Klimawandel oder Klimakatastrophe müssen neuerdings wohl auch immer dabei sein, damit man eventuell um den Aufkleber SPIEGEL-Bestseller mitbuhlen kann.
Das müssen wir uns nicht antun.

Eine andere Rezension zu diesem Buch
Manchmal ist es interessant zu lesen, was noch andere über ein Buch schreiben, vor allem wenn es zumindest auf den ersten Blick völlig konträr erscheint. Bei der folgenden Rezension habe ich mich ein wenig gewundert, wie unterschiedlich man dieses Buch bewertet, obwohl ich in einigen Punkten der Bewertung von Daniela Loisl zustimme, in anderen Punkten wiederum ganz und gar nicht: Definitiv ist dieses Liebesthema mit zwei Menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten zumindest für uns kein totgerittenes Pferd, weil wir ganz offenbar die unzähligen anderen, bereits vorangegangenen Bücher mit diesem Thema nicht gelesen hatten. Wir lasen bisher sowieso nicht zu viele historische Romane überhaupt (ich gehe hierbei davon aus, dass in zeitgenössischen Themen diese Problematik keine so große Rolle mehr spielt).

Claudias Fazit
Claudia hat natürlich ihre eigene Meinung zu dem Buch
 

Endlich wieder ein Buch, das von Anfang bis zum Ende durchgehend spannend bleibt.

Ahlbeck 1906 an der Ostsee. Fenja ist eine junge Frau und die Tochter eines Webers. Sie hat es wahrlich nicht leicht in dieser Zeit, weil sie nicht zu den reichen Hochwohlgeborenen gehört. Sie kocht und putzt sowohl zu Hause als auch bei dem Freund ihres Vaters. Auch pflegt sie ihre Mutter Tag und Nacht und ebenso die Ehefrau des Vater-Freundes. Sie ist sozusagen Magd und Sklavin aller, aber insbesondere ihres strengen und lieblosen Vaters. Ihr Vater hat sie sogar an den Sohn seines Freundes versprochen, der noch härter und brutaler ist als ihr Vater.

In dieser Zeit haben Frauen leider noch keine Rechte und werden nicht respektiert. Fenja aber wehrt sich und ist mutig und geht trotz aller Widrigkeiten ihren eigenen Weg.

Sie arbeitet bald als Kindermädchen bei einer sehr wohlhabenen Familie. Auch verliebt sie sich in einen Adligen. Es ist eine spannende Liebesgeschichte.

Fazit: ich hätte in dieser Zeit noch nicht leben wollen, vor allem nicht in Armut. Zu diesen Zeiten musste man im Winter noch frieren und oft auch hungern. Für mich ist es doch sehr interessant, in diese Zeit einzutauchen, doch ich bin dankbar erst in den 60er Jahren geboren zu sein. Denn ich habe heute als Frau doch viele Freiheiten und darf selbst wählen, wen ich liebe und wo ich wohne und arbeite.

Fazit
Im Grunde habe ich innerhalb des Textes oben alles gesagt: ja, dieses Buch kann ich aus meiner Sicht uneingeschränkt weiterempfehlen. Und ja, ich werde sicher später wieder ein Buch oder durchaus auch mehrere Bücher dieser Autorin zur Hand nehmen.

PS:
Schön: Die Autorin läßt Achim von Bening sagen:
“Wenn Männer nicht auf ihr Herz hören, können sie auch keine richtigen Entscheidungen fällen.”

Dazu fällt mir ein News-Beitrag aus dem Jahr 2021 ein, in dem ich auf den Song Trust your Heart always von Tom Pacheco aufmerksam machte.