Wir verlassen Cavtat unter Segeln. Bis nach Ston sind es fünfundzwanzig Seemeilen. Das Meer schickt uns kräftige achterliche Wellen, die auch ihren Teil zum Vorschub beitragen. Unsere Logge meldet fünf Knoten, dann sechs und sieben Knoten. Der Wind schiebt uns vor sich her.
Bei stärkerem Seegang versteckt sich selbst die große Jadrolinija-Fähre hinter den elafitischen Inseln auf ihrem Weg nach Dubrovnik. Genau das tun wir jetzt auch, mein Arm schmerzt vom Bedienen der Pinne.
Der Jugo bläst immer kräftiger und die Wellenhöhe steigt jetzt selbst hinter den Inseln auf die Ein-Meter-Grenze. Ein Rundumblick verrät, dass keine Schiffe mehr unterwegs sind. Wo sind die alle plötzlich hin?
Bei stürmischen Südost-Jugo sollte man den Stonski Kanal nicht befahren. – Wir ändern also unseren Kurs, ich reffe unsere Segelfläche und wir ändern unseren Kurs in die uns bereits bekannte Bucht von Šipan.
Jetzt kreuzen wir gegen den Wind und haben auch die Wellen von vorn. Wir kommen nicht mehr voran. Ich kneife die Augen wegen der überkommenden Seespritzer und dem Wind zusammen. Querab auf Steuerbord sehe ich eine Bucht, in der schon einige Schiffe ankern. Die Bucht gehört zu der kleinen Insel Jakljan. Claudia fiert die Segel und Cleo folgt unserem Willen. Sie steuert durch den mir jetzt wütend erscheinenden Wind auf Halbwindkurs zu dieser Ankerbucht.
An das beschriebene Ankerverbot aus dem Hafen- und Buchtenführer ein Ankerverbot wegen einer Ferienanlage hält sich keiner. Nicht der Schwede mit seiner Beneteau, nicht der Deutsche auf seinem blaurümpfigen Segelschiff, nicht der offenbar kroatische Segler und auch nicht das kleine italienische Motorboot.
Und wir auch nicht.
Wir starten jetzt ein verhunztes Ankermanöver, werden es auch überhaupt nicht hinbekommen. Das wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt natürlich noch nicht und bemühen uns also redlich.
Etwa einhundert Meter vor dem italienischen Motorboot glauben wir, eine Stelle für unseren Anker gefunden zu haben und Claudia lässt die Kette hinab. Der Wind erfasst den Bug und schleudert ihn herum. Cleo wird jetzt quer rückwärts getrieben. Der Anker gräbt sich doch hoffentlich bald ein, denke ich, und vernehme vom Wind zerfetztes Geschrei des Italieners auf seinem Motorboot. Er deutet aufgeregt auf seine Ankerkette und in gerader Richtung auf unser Boot. Unsere Kette hat sich offenbar über seinen Anker gelegt. Den Wind stört das nicht und die Seitwärtsdrift der Cleo hört nicht auf. Inzwischen bin ich vorn an der Ankerleine, da das händische Heraufziehen dies schweren Eisengeschirrs nichts für Claudias Arm- und Rückenmuskulatur ist.
Schon kann ich jede Falte im Gesicht des Italieners sehen, der inzwischen mit seiner Frau und coolem Gehabe mit verschränkten Armen am Bug seiner Motoryacht steht und diese Haltung gelegentliche durch Droh- und Schimpfgebären unterbricht. Der Wind dreht und schiebt Cleo in beunruhigender Weise, die Gefahr eines Zusammenstoßes steigt ernsthaft.
Claudia gibt stark Gas vorwärts, was genau das Richtige ist. Jetzt habe ich auch den Anker wieder aus dem Wasser und weise den Italiener auf das Ergebnis meiner Bemühungen hin, nicht ohne ihm durch den Wind sicherlich ähnliche Verwünschungen zuzuschreien, wie er mir vorher zukommen ließ. Doch der Wind pfeift so laut, dass er es nicht hören kann, wahrscheinlich auch nicht übersetzen könnte. Nicht mal ich konnte meine Worte so richtig hören, weshalb ich sie hier auch nicht wiederzugeben vermag … . Der Italiener hebt erleichtert die Hand und geht in sein Cockpit, um seine Manöver einzuleiten. Ich lasse unsere Anker erneut fallen und mit lautem Rasseln geht die Kette hinab.
Greift der Anker? Ab und an sehe ich nun am Ufer verschiedene Bäume vorbeiziehen (komisch, nicht?). Schon erreichen wir das Ende der Bucht und müssen den Anker aufholen und erneut nach hinten in die Bucht fahren. Dort haben der Kroate und der Schwede ihre Anker gehoben und beide suchen jetzt das Weite. Genau das beschließen wir auch zu tun und steuern letztlich doch den Hafen von Šipanska Luka an.