08. Juli 2023

Das Vermächtnis / Der Weg des Hartmut Stein

Jugendroman von Wilhelm Schreiner (1889-1943)

Ein deutsches Schicksal

Ebenso wie bereits die beiden Wilhelm Schreiner-Bücher Zauber der Südsee / Rätsel Südsee existieren auch hier wieder zwei Buch­aus­gaben mit der gleichen Geschichte doch mit unter­schied­lichen Buch­titeln. Der inhalt­liche Text scheint mir in diesem Falle annähernd gleich (Beispiele für Unterschiede «Rings ruht das Land und atmet verhalten
versus
«Rings ruht das Land und atmet still

Desweiteren gibt es (allerdings geringe) Unterschiede auch beim letzten Brief des Vaters, die mir eher wichtiger erscheinen; deswegen mehr zu diesen Unterschieden –> siehe unten
); jeden­falls ergaben das meine Stich­pro­ben und die Kapitel­über­schriften sind ebenfalls exakt gleich. Der Weg des Hartmut Stein wurde mit Zeichnungen von A. Paul Weber illustriert, Das Vermächtnis besitzt keine Zeichnungen.

Flüchtig betrachtet könnte man meinen, Das Vermächtnis sei eine Fortsetzung von Rätsel Südsee, was jedoch nicht der Fall ist. Die Bücher sind unabhängig voneinander, wenngleich die Personen der Familie Stein sowie Haus «Neuland» ebenso schon im «Rätsel» vorkamen. Die zeitliche Handlung des Vermächtnis startet im Jahre 1915, endet 1919.

Das Vermächtnis handelt weniger von der Südsee, obwohl der größte Teil in der Südsee spielt. Es geht jedoch um den 1. Weltkrieg und die Bereitschaft, für sein Vaterland als Soldat zu dienen und ggf. auch dafür sein Leben zu lassen. Um Militär- und Kriegsbücher mache ich normalerweise einen großen Bogen. Hier ergab es sich durch meine Begeisterung für den W. Schreiner Band Rätsel Südsee, dass ich mich dieser nachfolgenden Lektüre dennoch unterzog.

Nun, der Schreibstil ist ebenso perfekt. Diesmal jedoch ganz klar, teils fast schon parolenartig, auf die Pflicht und Opferbereitschaft gegenüber dem (fernen) Vaterland ausgerichtet. Mitunter war mir das Lob zu allem Deutschen (und gleichzeitig auch Geringschätzung alles Nichtdeutschen) etwas zu viel. So wird über die Sauberkeit und Ordnung auf deutschen Kriegsschiffen in schillernden Farben berichtet, gleichzeitig aber Schiffe unter französischer oder britischer Flagge eher als heruntergekommen beschrieben. Etwas aufstoßen tat mir auch, dass auf der Samoa-Insel Upolu, wo Hartmut Stein, der Protagonist, mit seiner Familie lebt und die auch Handlung startet, dass dort nicht einmal mit einem Wort der englische Schriftsteller R.L. Stevenson erwähnt wurde. Und das, obwohl dieser dort die letzten Jahre seines Lebens bis 1894 verbrachte, auf der Insel ein bekanntes Grab erhielt und bei den Einheimischen hochachtungsvoll und liebenswerter Weise “Tusitala”, Geschichtenerzähler, genannt wurde.

Nun ja, vor einigen Jahren noch hätte ich an dieser Stelle wahrscheinlich aufgehört zu lesen. Doch heute, im Jahre 2023, wo wir Deutschen fast nur negativ dargestellt, ja herabgesetzt werden (vor allem von der offiziellen öffentlichen Meinung in Deutschland – so jedenfalls mein ganz klares Gefühl), lasse ich es durchgehen und bin sogar froh, dass man solche Literatur noch erhalten kann (im Antiquariat).

Jedenfalls gelangt dieser Hartmut Stein (17/18 Jahre alt) im Laufe der Handlung und innerhalb der Kriegswirren auf abenteuerliche Weise von Samoa nach Deutschland. Manchmal bangt man um ihn, denn es ist spannend geschrieben. Die Bange um den Jungen hält jedoch nicht lange an. Hartmut als schlauer und gewiefter Deutscher kommt ja überall heil raus, das weiß man dann irgendwann schon vorher.

Unterschiede beim letzten Brief des Vaters
Hier ein (mir) eher wichtiger Unterschied im Abschiedsbrief des Vaters an Hartmut bei den beiden Versionen der beiden Buchausgaben:

aus Der Weg des Hartmut Stein (=ältere Version):

Nimm aus meiner liebe Vermächtnis dies Wort des Abschieds: Werde auch Du ein Krieger im Heere des Lichts, ein Mensch mit dem neuen Herzen, ein Mann des neuen Geistes. Deutschsein und Christsein, beides in neuer Tiefe und Reinheit, darin fasse Dein Ziel. Der christdeutsche Mensch steht verankert im unendlichen Grund der Wirklichkeit Gottes und lebt darum der freien Hingabe an die Gemeinschaft seines Volkes und seiner Brüder.
Ich bange nicht um Deinen Weg, Hartmut. Ich weiß daß Du Deinen Weg gehst künftig so gewiß, wie Du ihn bis hierher gegangen bist. Ich traue Dir, wie nur ein Vater seinem Sohn zu trauen vermag. Vollende Du, was ich einst gewollt; werde, was ich ersehnt:
ein Mensch des neuen Herzens!
So grüßt Dich Deines Vaters Herz. Mein lieber Junge, leb wohl!

aus Das Vermächtnis (=jüngere Version):

Nimm aus meiner liebe Vermächtnis dies Wort des Abschieds: Werde auch Du ein Krieger im Heere des Lichts, ein Mensch mit dem neuen Herzen, ein Mann des neuen Geistes. Deutschsein und Christsein, beides in neuer Tiefe und Reinheit, – zwischen diesen beiden Lebenspolen schwingt aller Aufstieg, alle Zukunft und Vollendung des deutschen Menschen. Suche, Hartmut, des Grales Glut. Vollende Du, was ich einst gewollt; werde, was ich ersehnt:
ein Mensch des neuen Herzens!
So grüßt Dich Deines Vaters Herz. Mein lieber Junge, leb wohl!

Fazit
Kritik an der tendenziös wirkenden Überhöhung alles Deutschen hatte ich ja schon oben angebracht. Jedoch hat das Buch in meinen Augen dennoch einen großen Wert: es geht um Mannesstolz, um das Vermächtnis, dass die Väter ihren Söhnen hinterlassen (sollten): zu Erkennen, was man im Leben will. Und dann diesen Weg ehrlich und aufrichtig und von Herzen – im Sinne der Gemeinschaft (besonders im Sinne der Nation) zu verfolgen. All dies hinterläßt Reinhard Stein, der Vater von Hartmut, seinem Sohne in einem letzten Brief.

Die Widmung aus dem Jahre 1922
Widmung vorn im Buch
Antiquarische Bücher haben eine Vorgeschichte, die sich zum Teil in handschriftlichen Widmungen am Anfang des Buches ausdrücken. Mich faszinieren solche kleinen Texte, oft mit Ausdruck der Verbundenheit zum Beschenkten, immer sehr. In welcher Beziehung stehen/standen der Schreiber der Widmung und der Angesprochene zueinander? Welche Gedanken und Einstellungen mögen die beiden geteilt haben? Was mag der Begünstigte über das Buch gedacht haben?

Wie auch immer, meine Ausgabe von Das Vermächtnis enthält eine solche Widmung, deren Text ich hier veröffentliche (soweit ich ihn korrekt entziffern konnte). Ein interessantes Detail ist, dass die Widmung vom Sommer 1922 ist, das Buch jedoch laut erste Innenseite erst 1923 herauskam. Möglicherweise stammt meine Buchausgabe aus einer Vorabversion des Verlages? – Die Widmung scheint dies zu bestätigen:

Reichenhall d. 10.06.22
Deutsches Heim
Zum Geleit !
Mit heissen Augen u. heissem Herzen habe ich dies Vermächtnis gelesen.
Ein herzliches Buch!
Und frische Seeluft darin; das tut gut!
Und ich kann es kaum erwarten, bis es vom Stapel läuft u. alle deutschen Landsleute es zu lesen bekommen. Ich wünsche ihm von Herzen Glück auf den Weg, zum Vorteile der deutschen Jugend.
Und auch die Alten wollen und werden sich daran erbauen u. neuen Glauben daraus schöpfen an Volk und Vaterland: “Der Deutsche [xxxxxxxxx], der steht noch!”
Darum zu Stapellauf u. Ausfahrt dem Paten [xxxxxxxxx] u. [xxxxxxxxx]wunsch.
Gooden Wind und volle Seils! –
Felix [xxxxxxxxx]