Drittes Reich: Flucht auf die Insel Fünen
Es war unser erster Roman von Sylvia Lott, deren Geschichten gerne (oder immer?) am Meer spielen. Das vorliegende Buch ist dennoch etwas anders, als man es sich üblicherweise vorstellt, wenn man an (Liebes-)Romane am Meer denkt. Warum ist das so?
Die Handlung spielt während des zweiten Weltkrieges und behandelt die Flucht von Juden aus dem für sie zu gefährlich gewordenen Berlin. Das Ehepaar Ruth und Jakob Liebermann finden auf der dänischen Insel Fünen (erste) Zuflucht.
Die Problematik, mit welcher die deutschen Juden zu kämpfen hatte, zeichnete Sylvia Lott meiner Meinung nach sehr gut nach. Eine akribische Recherchearbeit der Autorin ist dem ganz sicher vorausgegangen. Die Einzelheiten der Einschränkungen, insbesondere auch der finanziellen und materiellen Beschneidung (Beraubung!), der jüdischen Bevölkerung durch den deutschen Staat dazumal ist einem im Detail gar nicht geläufig. Zum Beispiel durften Juden kein Geld ins Ausland überweisen. Alle Juden mussten ihre Führerscheine und KFZ Scheine abgeben. Der Erlös von Verkäufen (Haus, Einrichtung etc.) hatte vorschriftsmäßig auf ein Sperrkonto zu gehen, an das man nachher schwer oder gar nicht mehr rankam. Es gab eine “Reichsfluchtsteuer”, eine “Judenvermögensabgabe”, einen “Beitrag zur Sühneleistung des jüdischen Volkes”. Juden durften keine Unterhaltungsstätten mehr besuchen (Kino, Theater, …) usw. usf.. Durch die betroffenen jüdischen Familien in diesem Buch kann man sich gut in deren damalige (beschissene) Situation einfühlen.
Doch das Buch ist kein Roman mit nur dunklem Hintergrund. Es sind durchaus jede Menge helle Töne vorhanden: Die Beschreibung der Insel Fünen, die wundervoll gemalten Bilder von Ruth, die Treffen im Haus der dänischen Schriftstellerin Karin Michaëlis (diese Frau existierte wirklich, auf unserer Dänemark Reise fanden wir ihr Haus auf der Insel Thurø). Dort treffen wir im Buch ebenfalls den im Exil lebenden deutschen Dichter Berthold Brecht an. All diese Dinge machen ein Buch aus, das in einer Reihe mit reinen Liebes- und schönbildrigen Meeres-Sommer-Strand-Romanen mindestens ein Regalbrett zu tief ausgestellt wäre.
Lieblingsstelle
Eine meiner Lieblingsstellen aus dem Buch ist die, an welcher sich ein älterer Mann verärgert über einen anderen äußert und folgenden Ausspruch tat:
Fazit
Der simple Titel Die Fliederinsel ist unserer Meinung nach ein klares Understatement für dieses tolle, historisch gut recherchierte, und mitreißende Buch. Selbst die eingebaute(n) Liebesgeschichte(n) sind vielschichtig und keineswegs wie in einem Groschenroman. Wir waren beide begeistert!
Weitere interessante Bücher hierzu:
- Die Inselgärtnerin, Sylvia Lott