01. Januar 2018

Januar 2018

Recherchearbeit für den neuen Film

Um die Weihnachtszeit herum grub ich fast vergessene Bücherschätze aus: beim Schneiden unseres neuen USA-Films kam ich an eine Stelle, an welcher der Apachen­häuptling Geronimo in Fort Pickens (Santa Rosa Island) gefangen gehalten wurde. Oft genügen Recherchen im Internet aus, um den Ideen für den Off-Kommentar zu bekommen. Im Falle Geronimos genügte es mir nicht und ich durchstöberte meine eigene Indianer­buch­sammlung. Dort wurde ich mit einer kurz und knapp Formulierung der betroffenen Zeitabschnitts in Geronimos Leben auch fündig.

Einmal angefangenen zu stöbern verbrachte ich annähernd den restlichen Nachmittag mit der Lektüre in der Geschichte der nordamerikanischen Indianer. So kam an diesem Tag der Filmschnitt nicht mehr voran, doch der Wochenend-Nachmittag war trotzdem nicht umsonst 🙂 .

Vielleicht geht es Euch in den Wintermonaten ja ebenso: zielloses Stöbern in den eigenen schon beinahe vergessenen Büchern macht die Abende und Wochenenden in der dunklen Jahreszeit zu etwas Besonderem.

 

Wir wünschen Euch einen guten und friedvollen Jahresanfang
  Eure Travelfilmer
Claudia und Thomas

 

 

PS: Meine Vorgehensweise beim Filmschnitt (technisch)

Ihr habt Euch vielleicht gewundert, wieso ich oben Filmschnitt sage und das mit Texten vermische. Was bei der Dokumentarfilmerstellung normalerfweise zwei Arbeitsschritte an verschiedenen Stellen sind.

Das liegt an meiner Vorgehensweise beim Schneiden unserer Dokumentarfilme. Für diejenigen unter euch, die daran interessiert sind schreibe ich hier meine Vorgehensweise auf. Ich arbeite in mehreren Phasen:

Phase 1: Alles Material, Video und Fotos auf die Festplatte in einen Import-Ordner speichern.

Grass Valley Edius. Ich benutze dafür die Drag- und Drop-Funktionalität vom Windows Explorer und werfe die Dateien in das «Bin» von Edius.“ rel=“splash.image|jan_2018″> Phase 2: Das Material in das Videoschnittsystem importieren. In meinem Falle ist das Grass Valley Edius. Ich benutze dafür die Drag- und Drop-Funktionalität vom Windows Explorer und werfe die Dateien in das «Bin» von Edius.

Phase 3: Nun lege ich in Edius einen Ordner Schnitt/Grobschnitt an. Innerhalb von diesem gibt es für jeden Ordner aus dem Input ein Sequenz-Pendant, in welches alle Einzelclips hineingeschoben werden. In die Sequenz CX730_01 beispielsweise schiebe ich alles Material, was auf der SD-Karte Nr. 1 der Kamera CX730 zu finden war.

Diese einzelnen Vidoclips liegen nach dem Hineinschieben in die jeweilige Sequenz in der zeitlichen Reihenfolge der Aufnahme vor.

Phase 4: In diesen Sequenzen schaue ich jeden einzelnen Clip durch und schneide alles weg, was technisch nicht einwandfrei ist (verwackelt, unscharf, …). Dadurch selektiere ich all das, was mir grundsätzlich an Filmmaterial überhaupt nur zur Verfügung steht. Inhaltliche Auswahl treffe ich hier noch nicht. Das heißt es bleibt auch alles vorhanden, egal ob ich denke: „Das nutzt du sowieso nicht.“ Hier kommen mir mitunter schon erste Ideen für Off-Kommentar-Texte oder szenische Zusammenhänge, die ich mir sofort notiere.

Phase 5: Ist alles Filmmaterial auf diese Weise vorbereitet, kopiere ich diese Timelines in einen neuen Ordner «Thematisch». Hier entstehen dann neue/umbenannte Sequenzen, in welche ich die Clips passend zu Orten und/oder Zeitabläufen zusammenfasse. Dabei werden automatisch Sequenzen zusammengeführt, die z.B. am gleichen Ort, doch mit verschiedenen Kameras gedreht wurden. Es entstehen dann Sequenzen wie «Key West» oder «NORLE Flug» (New ORLEans Flug).
Die Sequenzen im Ordner «Thematisch» bekommen einen sprechenden Namen mit einem “+” als Präfix, z.B. «+Key West». Das “+” benutze ich, um diese Sequenzen von den im weiteren Ablauf noch entstehenden gleichen Namen zu unterscheiden (siehe weiter unten).

Wie ihr seht, habe ich für die Sequenzen im «Thematisch»-Ordner eine Reihe weitere Spuren angelegt («Hauptstspur 1», «Hauptspur 2», «Testspur» …). Sie werden im späteren Verlauf des Schnitts benötigt.

Phase 6: Wiederum lege ich einen neuen Ordner an: «Kapitel grob». Dort hinein schiebe ich neue Kopien der zuvor erstellten themensortierten Sequenzen. Um sie von den anderen Sequenzen unterscheiden zu können, stelle ich den Namen ein “*” voran (an Stelle des vorigen “+”).

In diesen Sequenzen muss mir jetzt Folgendes gelingen:
  • die Filmschnipsel auszuwählen, die am Ende im Film verbleiben sollen.
  • die szenische Reihenfolge dieser Filmschnipsel festzulegen
  • grob die Off-Kommentare dazu zu texten (hier passiert also zum Beispiel meine «Geronimo-Recherche»)

Phase 7: Erneut lege ich einen weiteren Ordner an: «Kapitel fein». Da hinein kopiere ich wiederum Kopien aus dem «Kapitel grob». Hier kommt Claudia ins Spiel, der ich die bisherigen Clips vorspiele, ihr den geplanten Off-Kommentar vorlese und ihr auf diese Weise die Szene erkläre. Sie ist in diesem Moment unvorbelastet (noch nicht betriebsblind) und kann oft eine sinnvollere Reihenfolge der Clips vorschlagen. Ebenso fällt ihr das rigorose Wegwerfen von Szenen leicht, wenn sie der Meinung ist, die Szene trägt nichts zum Fortgang des Films bei. Dabei werden oft einmalig schöne Aufnahmen entfernt, bei denen ich nicht die Kraft besaß, sie auszusortieren.

Jetzt werden die übriggebliebenen Feinschnitt-Clips bearbeitet:

  • auf Länge geschnitten
  • farbkorrigiert
  • ggf. entrauscht (mit NEAT)
  • ggf. entwackelt (mit Mercalli)
  • ggf. Horizonte geradegestellt
  • ggf. Überblendungen eingefügt
  • Effekte, beispielsweise partielle Aufhellungen (Gesicht liegt im Schatten etc.)
  • und vieles mehr …

Phase 8: Weiteres Vorgehen im Feinschnitt-Ordner:

  • erster Test-Off-Kommentar mit Headset einsprechen und unter die jeweiligen Szenen legen. Hier zeigt sich, ob ich zu viel oder zu wenig oder gar nicht so guten Text habe. An dieser Stelle wird der Text weiter (sprachlich) verbessert.
  • Musikauswahl wird getroffen und in weiteren Audiospuren unter die Szenen gelegt
  • extra Sounds werden eingebaut (z.B. ist das originale Meeresrauschen oft von störenden Windgeräuschen überlagert)

Phase 9: Für den endgültigen Off-Kommentar gehe ich immer in ein Tonstudio. Dort bekommt der Toningenieur die technische Qualität besser hin als ich. Zum anderen hab ich damit automatisch einen aufmerksamen Zuhörer, der quasi als letzte Instanz Unklarheiten in Aussprache aber auch am Text an sich aufdeckt.

Phase 10: Jetzt wird dieser endgültige Kommentar unter die Sequenzen der Feinspur gelegt. Die Spur mit dem vorübergehenden Off-Kommentar schalte ich kurzerhand stumm.

Phase 11: Ein weiterer Ordner «Endprodukt» wird angelegt. In diesen lege ich neue Sequenzen an wie z.B. «Teil 1», «Teil 2», «Vorspann», «Nachspann», «Trailer», «Diashow».

Da hinein kommen wiederum die einzelnen Sequenzen aus dem Feinschnitt. Sie werden diesmal nicht kopiert, sondern liegen als «Referenzen» in diesen Sequenzen. Weitere Anpassungen führe ich also weiterhin in den Sequenzen im Feinschnitt durch; sie sind dann automatisch auch in den Endprodukt-Sequenzen wirksam.

Phase 13: Zum Abschluss baue ich noch eine Zusätzliche Audiospur ein, um vom Film noch eine Musikversion zu erstellen. Dies ist der Film ohne Off-Kommentare, dafür (fast) durchgängig mit Musik hinterlegt. Auf unseren DVD’s und Blu-rays sind immer auch beide Versionen auswählbar. Doch die Arbeiten dafür sind wieder ein anderes Thema, dass für die Erstellung des Dokumentarfilmes nicht unbedingt notwendig ist.

Ein gewichtiger Vorteil dieser stufenweisen Vorgehensweise mit quasi Sicherungen der vorangegangenen Schritte (Thematisch, Grobschnitt, …) liegt darin, dass ich bei Bedarf schnell auf Clips zurückgreifen kann, an die ich mich noch erinnere und die möglicherweise in einem der vorangegangenen Schritte aussortiert wurden. Ich muss dazu noch nicht einmal ein vorangegangenes „Schritt X“-Projekt öffnen .