Das Meer ist spiegelglatt, weit und breit nicht einige einzige Welle. Es regt sich nicht der mindeste Windhauch. Unsere kroatische Gastlandflagge hängt lustlos herunter, manchmal leicht bewegt vom Fahrtwind, den sie einzig dem gleichmäßig brummenden Volvo Penta verdankt. Uns ist das gerade recht. Claudia hat es sich mit einer weichen Matte auf dem Vordeck gemütlich gemacht und ich sitze auf der Süllkante und studiere unsere Reiseführer. Wir befinden uns nach acht übernachtungen auf der Insel Hvar nun auf dem Wege zur Makarska Riviera. Der auf 60 Grad eingestellte Autopilot hält gelassen den Kurs durch die unbewegte See. Cleos Ziel ist das vor uns liegende so grandios aussehende Naturbild: das Biokovo-Massiv. Das Gebirge präsentiert sich von der Wasserseite her wie ein riesiger Steinkoloss, der auf der Seite liegend unserer Einfahrt in den Hafen von Makarska harrt.
Nach fünf gemächlichen Stunden erreichen wir den Hafen von Makarska, der Namenspatronin des gesamten Küstenabschnitts. Geradeaus, vor der Nase unserer Cleo entdecken wir genau ein einziges mit Mooringleinen festgemachtes Segelschiff. Daneben soll unser Platz sein, beschließe ich. Claudia findet wegen der unmittelbaren Nähe zur belebten Flaniermeile meine Wahl nicht so gut. Jedoch mein Vorschlag, mit dem Bug voran an die Pier zu fahren, findet dann Zustimmung. So können uns die vielen Urlauber nicht ins Cockpit und in den Salon schauen.
Wäre ich nur lieber auf ihren Vorschlag eingegangen, das Boot an eine andere Stelle des Hafens zu steuern!
Neben dem anderen Boot angekommen springt Claudia mit der Bugleine an Land, macht diese fest und gibt mir die Mooring. Ich laufe damit Richtung Heck, während ich die vermeintliche Pilotleine, an welcher üblicherweise wiederum die Mooringleine angeknotet ist, immer weiter aus dem Wasser ziehe. Huch! – Zu Ende das Leinchen! Keine Mooring dran. Und ich sehe: „Unsere“ Mooring wird von dem Segler neben uns belegt, der somit zwei Moorings benutzt. Nun gut, dann nehmen wir eben die nächste freie und ziehen unser Boot dann Meter für Meter in Richtung der gefundenen Mooring. Wenn – ja wenn Claudia eine Mooring finden könnte. Alles nur Leinengestrüpp. Inzwischen ist ein auch älterer Mann hinzugetreten, der uns seine Hilfe aufdrängt. Oder vielmehr so tut, als brächen wir ein Tabu, da unsere Cleo vom Wind gedrückt eng an das andere Segelboot angeschmiegt liegt. Kein Problem eigentlich, diese Kuschelstunde für die beiden, weil beide Schiffe mit genügend Fendern gepolstert sind. Auf dem T-Shirt des Helfers steht aufgestickt „Marina
Mal mit kurz gelassener Ankerkette, mal an die lange Leine genommen versuchen wir im Rückwärtsgang, dem Anker wieder an die Luft zu verhelfen. Doch der Anker bleibt vom Wasser verschlungen. Er scheint sich an einem Betonklotz oder ähnlichem festgebissen zu haben. Unser Echolot zeigt sieben Meter Wassertiefe. In meinen Seglerbüchern habe ich die Leute immer bewundert, die bei solchen Gelegenheiten ihre Tauchkünste bewiesen haben. So etwas habe ich leider nicht zu beweisen … Also lasse ich Cleo im Rückwärtsgang Richtung Meer zerren, während Claudia das Bändsel kappt, welches gerade noch die Kette mit unseren Anker hält. Zehn Meter Kette rauschen nun mit einem endgültigen Klacker-Geräusch über die Abbrollkante ins Hafenwasser.
Etwas „erleichtert“ strebt Cleo nun doch dem clubeigenen Bootssteg auf der rechten Seite des Hafenbeckens zu.
Es gibt noch eine Moral zu der Geschicht‘, die ich jedoch auch schon vorher kannte (wo war die Kenntnis darüber nur bei meinem Ankermanöver?). Unser Vercharterer erklärte uns eine Regel mehrmals, bevor wir in See stachen: „Höre niemals auf die vielen Schwätzer auf der Kaimauer. Sie wissen immer alles besser, haben aber keine Ahnung.“
Ich für meinen Teil habe nun schon eine Ahnung, dass man seinen Anker nicht überall hineinwerfen sollte. übrigens: der ahnungslose „Marina Irgendwas„-T-Shirt-Träger ward von uns nie wieder gesehen.