Abends auf dem Boot beobachten wir, wie das Pendeln von Cleo wieder stark zunimmt. Die Sonne hat bereits das Firmament verlassen, in der hereinbrechenden Dunkelheit verzichten wir auf das Suchen eins neuen Platzes. Das Pfeifen des Windes in den Masttops und Salings hat begonnen. Es ist Bora gemeldet, die den noch vorherrschenden Jugo vertreiben wird. Wir wissen das und freuen uns auch auf die Wetterverbesserung, die die Bora mit sich bringen wird. Doch vor dem Vergnügen wartet auf uns eine fast schlaflose Nacht. Wind und Wellen stürmen gemeinsam gegen die Seite des Schiffes. Das Boot zerrt an den Leinen, die zur Boje führen. Ich höre einen dumpfen Schlag von der Bordwand und laufe hinaus. Cleo wird eng an unseren Liegenachbar gedrückt. Die Heckleine ist straff über der Wasseroberfläche gespannt. Ich suche unsere Boje, wo der Bug festgemacht ist. Sie ist weg! Doch alle anderen Bojen sind auch weg, vom Wasser verschlungen. Eine kleine Spitze einer Boje schaut gelegentlich zwischen den Wellen heraus. Die Heckleine ziehe ich bei jedem kleinen Nachlassen der Böen Zentimeter für Zentimeter an. Dadurch gewinnen wir freien Raum zwischen Cleo und dem Motorschiff neben uns, durch den jetzt ein Wuseln von aufgeregten Fischen hüpft. Durchnässt und zufrieden mit meiner Arbeit verschwinde ich wieder im Innern des schaukelnden und zerrenden Rumpfes.
Es ist laut draußen. Als habe sich das Meer mit dem Himmel zu einem riesigen Instrument vereinigt, auf dem Melodien erschaffen werden, die die Gewalt von Beethovens Fünfter zu übertreffen versuchten. Immer wieder stecken wir unsere Köpfe aus der Luke. In das aufgewühlte Hafenwasser fahren ständig Segler mit der Hoffnung ein, einen sicheren Platz zu finden. Doch den hält der Hafen nicht mehr bereit.
Die Crews kämpfen sichtlich auf den Schiffen. Durch die peitschenden Böen dringen Fetzen von Kommandorufen zu uns hinüber. Eben hat sich unmittelbar neben uns ein amerikanisches Boot in den Bojenleinen eines anderen Liegeschiffes verfangen. Die schattigen Umrisse der Crewmitglieder laufen über das Deck, Bootshaken und Fender in der Hand. Trotz Pfeifen des Windes höre ich deren klucksendes Schraubenwasser bis zu uns. Mittels Einsatz seines Bugstrahlruders gelingt es der Mannschaft schließlich, der Gefangenschaft der Leinen zu entrinnen.
Das Hafenbecken ist mittlerweile angefüllt von ankernden Schiffen, an deren Trosse die Bora zerrt und reißt. Hoffentlich halten die Anker! Viel freien Raum für Manöver haben sie nicht mehr um sich herum.
Im Innern des Schiffsrumpfes ist das regelmäßige Pochen des Großfalles fast ohrenbetäubend, obwohl ich es bereits weggebunden habe. Wieder laufe ich hinaus. Gerade als ich in der Dunkelheit das Fall an die Wanten binde, schickt die Bora unerwartet eine ihrer wohl kräftigsten Böen in das Gefecht. Die kurze Leine fahren lassend klammere mich an den ruhelosen Mast, als vom Niedergang Claudias erschrockene Stimme kurz und scharf meinen Namen schreit: „Thomas!“. Ich bange, Schlimmstes sei passiert. Warum ist Claudia so erschrocken? Doch ich kann Euch beruhigen, es war nichts. Erschreckt und aufgescheucht von der Böe stürzte Claudia mit der Befürchtung nach draußen, ich müsse ins brodelnde Wasser zwischen die tanzenden Schiffe gefallen sein.
Der Wind nimmt weiter zu. Unter dem Knarren und ächzen der Leinen an den Bugklampen, die über unseren Kojen montiert sind, können wir nicht einschlafen. Das Schiff schwankt und rollt. Claudia kämpft gegen ihre Seekrankheit, die sie hier im Hafen zum ersten Mal auf unserer Tour aufsucht. Wieder laute Schreie draußen, die durch das Tosen abgedämpft zu uns dringen. Kopf aus der Luke. Die Anker zweier Schiffe sind ausgerissen und die Schiffskörper wurden vom Wind aneinandergetrieben. Nach einer Weile großer Anstrengungen fahren beide Schiffe aus dem Hafen. Wo können die jetzt noch hin? – Wir sind heilfroh, unseren ungemütlichen Bojenplatz beanspruchen zu dürfen.
Claudias Fazit | |||||||||
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