30. Juli 2009

Im Wechselbad der Gefühle

Rat. tat. tat.. tat… tat…..

Ich drehe den Zündschlüssel noch einmal.

Rat… tat….

Claudia schießt von unten den Niedergang hoch: „Oh Gott, schon wieder ein Stromproblem?!“

Durchatmen und am Kopf kratzen. „Es ist kein Kabel lose oder abgerissen“ brumme ich mit dem Kopf tief in der Backskiste, wo unser Ladegerät angebracht ist. Unsere Batterien sind leer. Ich schließe das Boot noch einmal an die Ladesstation an unserem Anlegeplatz in der Okuklje Bucht auf der Insel Mljet an und nach einer Viertelstunde springt der Motor an. Es ist Bora, wir können einen am Wind Kurs fahren und dabei leicht kreuzen. Den Motor lasse ich sicherheitshalber mitlaufen, dann können sich die leeren Akkus weiter aufladen. In Trstenik auf der Halbinsel Pelješac gibt es laut Hafenhandbuch einen Bootsmechaniker, was für dieses nächste Zwischenziel spricht.

Der Wind bläst uns die ganze Zeit entgegen. Das mühselige Kreuzen haben wir aufgegeben und das Segel gestrichen. Auf dieser Fahrt im Mljetski Kanal ruft Claudia irgendwann: „Rückenflosse!!!“

Sie springt mit den Füssen auf die Cockpitbank, stößt sich in der Hast den Kopf am Gestänge des Biminis, merkt es nicht einmal sondern deutet wie ein Kind, das erstmals im Leben einem geschmückten Christbaum gegenübersteht, mit offenem Mund auf das Wasser und einige Schaumkronen darin. Dann tauchen nahe unserem Boot zwei Rückenflossen auf. Claudia klatscht in die Hände, stößt Freudenlaute aus, hüpft hoch, stößt sich wieder am Bimini und merkt es wieder nicht. Sie hastet nach vorn, zum Vorschiff. Dort sitzt sie da wie ein Kind, mal hierhin und dann wieder dahin deutend. Zwischendurch ständig in die Hände klatschend. Ein Delphin schwimmt, ständig die Seite wechselnd, vor unserem Bug.

Ich gebe Gas, der Delphin soll Spaß haben, länger dort bleiben. Selten habe ich Claudia so aus dem Häuschen gesehen. Sie dreht sich zwischendurch immer wieder mit strahlenden Augen zu mir da hinten (auf den billigen Plätzen …) um und ruft „Hast Du das gesehen, jaaaa,“ Und „Juchhuuu, da ist wieder einer“ und „Da, er kommt zurück“ kreischt sie. So geht es die ganze Zeit.

Cleo hat lange schon ihren Kurs verlassen und jagt im Zickzack hinter den geschickten Schwimmern her. Claudia beobachtet die Delphine bei ihren Manövern und freut sich. Ich beobachte Claudia bei ihren Händeklatschen und Freudenausrufen und freue mich. Und ich denke, dass die Tiere auch ihre Freude haben.

Claudia freut sich über Delphine Claudia freut sich über Delphine Claudia freut sich über Delphine
Claudia freut sich singend und klatschend über die vielen Delfine. Ich bekomme die Kerle kaum vor die Linse oder nur völlig verwackelt. Doch bald merke ich, dass die Freude von Claudia ein viel lohnenswerteres Fotomotiv darstellt.

Wann habe ich Claudia schon mal so laut wegen Tieren Kreischen gehört? Ja doch. – Vor längerer Zeit brachte unser Kater Zeus eine lebende Maus ins Wohnzimmer geschleppt, die er zu seiner, doch weniger unserer, Freude lustig an den Wänden entlang huschen ließ. Genau damals stieß Claudia einen ähnlichen Kreischlaut aus, dessen Lautstärke sicher denen von heute nicht nachstand. Und sie sprang seinerzeit auch blitzschnell aufs Sofa, so wie heute auf die Cockpitbank. Ich komme dem Tier-Freude-Phänomen offensichtlich immer näher. Also Delphine und Mäuse …

Wir befinden uns inzwischen vor der kleinen, leuchtturmbebauten Insel Lirica, die uns den Eingang in die breite Bucht anzeigt. Der Motor läuft prima, wir machen fünf Knoten Fahrt und werden nach knapp drei Seemeilen, also etwa vierzig Minuten, in den Hafen von Trstenik einlaufen.

Doch Cleo hat anderes vor. Ohne ersichtlichen Grund nimmt sie das Gas zurück, der Diesel nagelt jetzt etwa auf Standgasniveau. Mittlerweile haben wir das Vorsegel in etwas gerefften Zustand wieder gesetzt, denn als wir aus dem Windschatten von Mljet heraus waren, so ist zumindest meine Erklärung, bekamen wir Maestral, den Westwind, und können wieder unseren Wunschkurs segeln. Durch den Wind sind wir nicht auf den Motor angewiesen und können gemächlich Richtung Hafen schippern.

Blick vom Ankerplatz
Blick vom Ankerplatz. An den Hängen wird die bekannte Weinsorte Dingač angebaut
Hoffentlich können wir den Motor zumindest beim Anlegemanöver noch einsetzen.

Im Hafen von Trstenik ist an der Mole viel Platz. Genauer gesagt: es ist überhaupt kein Schiff da. Nur hinten, im Flachwasser dümpeln ein paar Fischerboote. Wir gehen längsseits, was mit unseren kaputten Motor im Standgas noch gut machbar ist.

Schon kommt der Hafenmeister in Shorts und weißen T-Shirt herangeeilt, den rechten Arm mit nach links und rechts wiegendem Zeigefinger erhoben. „No, No, No, No!“ hören wir ihn bis zu uns heran brüllen. Wir lassen uns nicht beirren und verzurren die Leinen von Cleo an den großen Steinpollern. Inzwischen an unserem Boot angekommen senkt sich der verneinende Zeigefinger des Hafenmeisters in Richtung der Schlinge um den Poller, ohne seine ablehnende Gestik zu unterbrechen.

„Go away, here is no place for you!“

„Our engine is defect!“ erklärt Claudia.

„This is your problem and not one of me. Go away!“

„What’s up? Why we cannot stay here?“ möchte ich nun wissen.

„Go away! Many big ships with many passengers will come. Go away!“

„So with our damaged engine – could we stay there?“ ist meine Frage und ich deute auf das Ende des langen Kais hin.

„No.“

„And a little bit more at the right side?“

„OK, you can go there backwards with your own anchor.“

Toller Verhandlungserfolg, befinde ich! – Seit Makarska habe ich allerdings immer noch Respekt vor Ankermanövern im Hafenbecken. Wir ziehen Cleo an den Leinen zu dem angewiesen Platz. Um nicht wieder mein gutes Ankergeschirr einzubüßen, hole ich den kleineren Zweitanker ohne Kette aus der Backskiste und gehe damit vor zum Bug. Das sieht der streng beobachtende Meister des Hafens, kommt herbeigelaufen – wieder seinen Finger in der uns bereits bekannten Pose nach oben gerichtet – und ruft:

„Go away, leave the harbour! – You cannot stay here, Go away. Go there to the bay and stay on your anchor.“

Zwei Boote in der Bucht

Der Ton ließ keine Diskussion mehr zu. Wir sollen also den Hafen verlassen und uns vor Anker legen. Der kleinere Anker flößt ihm wohl nicht genug Vertrauen ein.

„OK, is here a mechanic for engines in the village?“ – Mein Hafenführer von 2008 nannte sogar einen beim Namen und auch mit Telefonnummer. In dem kleinen Nest müsste der Hafenmeister den doch locker kennen.

Der große Meister des Hafens hebt die Schultern and lässt hören: „Maybe.“

Trstenik ist ein Nest mit nur wenigen Seelen. Der muss den Mechankier kennen! Was ich jetzt, mittlerweile ebenso übelgelaunt wie der Hafenmeister, hören lasse, schreibe ich hier lieber nicht auf. Der Adressat für meine Schimpfworte hat es wahrscheinlich nicht verstanden, weil ich es in Deutsch sagte. Und das war richtig „Deutsch gesprochen“, wie man so schön sagt.

Und so steuern wir unser angeschlagenes Schiff Richtung Strand, vor dem wir den Anker werfen. Auch wenn Claudia das überhaupt nicht verstehen kann. Vor Anker liegen, mit angeschlagenen Motor, gibt ihr kein sicheres Gefühl. Hoffentlich bekämen wir den Motor in der Nacht zum Laufen, sollte der Anker nicht halten.

Für den geneigten Leser: die Reparatur klappte wunderbar (siehe Kasten „Für Skipper“), die kommende Fahrt unter anderem zur Insel Vis, wo wir wegen stürmischer Bora länger verweilen werden und unser „gequetschtes Sardinenerlebnis“ haben werden (Nächstes Kapitel).

Für Skipper
 

Hafen Trstenik auf Google-Maps  
Hafen und Bucht von Trstenik
Der Hafen und Bucht von Trstenik
Hafen Trstenik: An der langen Mole legen jeden Sonntag, Dienstag und Donnerstag mehrere Ausflugsschiffe an. Uns traf es am Sonntag, wo gegen sechzehn Uhr der „Einmarsch“ der Flotte begann. Die Schiffe blieben bis in die Nacht, gegen drei Uhr hörten wir die Urlauber auf den Decks immer noch singen und grölen. Morgens waren dann alle auf geheimnisvolle Weise verschwunden.

An den anderen Tagen kann man laut Hafenmeister auch an der Mole längsseits gehen.

Dem Hafen vorgelagert ist eine große Bucht (siehe Foto), in der einige Schiffe zwischen 8 und 15 Meter Wassertiefe ankern kann. Alternativ gibt es unmittelbar östlich zwei weitere, sehr schöne Buchten, in denen Ankern bei Wassertiefen um die 15 Meter möglich ist.


Der Mechaniker: Niki Krivic, Tel 020/741-140. Er wohnt in einem gut gepflegten Haus direkt links der Mole. Sehr akurater und sauber arbeitender Mechaniker. Er kam mit seinem ebenfalls ordentlich gepflegten Boot längsseits an unseren Ankerplatz und erledigte seine Arbeit sehr gewissenhaft. Sehr empfehlenswert.

Unser Schaden hängt – wie sicherlich vom aufmerksamen Leser und Skipper bereits vermutet – wieder mit dem Dieselfilter zusammen. Der wurde von Niki erneut ausgetauscht. Es war nicht nur Wasser, sondern vor allem Dreck im Filter. Der Dieseltank solle bald gereinigt werden, ist sein Gredo. Doch es sei nicht so superdringend, wir könnten seiner Meinung noch bis Ende September, also dem Ende unseres Törns, so weiterfahren.


Okuklje-Bucht auf Mljet: siehe Beschreibung der Bucht beim Hinweg

 

 

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