Kaffee, Croissants, Marmelade. Alles steht bereit. Wir sind zu Gast bei Mertha, Henk und ihren Teenager Kindern Lena und René. Mit dem heißen Becher in der Hand sitzen wir da, unterhalten und freuen uns.
Unsere niederländischen Gastgeber stehen mit ihrem Wohnwagen an einer zentralen Wegkreuzung des Platzes. Darum kommen hier viele andere Camper vorbei: „Habt ihr Findelkinder aufgenommen?“ und ähnliche freundlich gemeinte Worte werden herüber gerufen.
Vom Gewitter ist nichts mehr zu sehen. Noch einmal kam es in dieser Nacht zurück, ließ das Tal vom Tosen des Donners laut wiederhallen. Doch nun ist es vorüber. In der Bucht liegt Cleo friedlich und ruhig vor Anker. Als hätte es die letzte Nacht nicht gegeben.
Für unser Segelschiff hat Henk auch schon mitgedacht. Einem Zeltnachbar gehört ein größeres Schlauchboot. Der würde uns bestimmt in einen Hafen schleppen. Henk managed das alles für uns, sobald der Schlauchbootbesitzer aus seinem Zelt kommt.Und der kennt sich hier mit den Wettergegebenheiten aus. „Diese Bucht ist eine Horrorbucht. Bei Gewitter kommt es aus allen Himmelsrichtungen. Im Osten sind die steilen Berge des Kvarner, im Norden und Nordwesten die Alpen und nach Süden kommt das Gewitter auch nicht über Istrien weg. Deshalb drückt es hier in die Bucht, alles entlädt sich genau hier und kann nicht weg.“
Ausgerechnet hier ankere ich bei Gewitter. Ich Unglücksrabe, denke ich bei mir.
Und ja, er schleppt uns nach Umag, wenn wir möchten. Umag sei der nächste Hafen in Kroatien, knapp zehn Seemeilen entfernt. Nach Kroatien wollten wir nun eigentlich nicht, wende ich ein. Da hatten wir doch eben erst schon nichts repariert bekommen.
„Nach Slowenien kann ich Euch nicht schleppen. Das kostet dann nämlich eine saftige Schleppgebühr.“ – Verstehen kann ich das nicht, doch irgendwie kassiert uns der Zielhafen dann offenbar ab, da wir vom Ausland – was Kroatien aus slowenischer Sicht ist – kommen.
Ich willige ein, wir bringen sein Schlauchboot zur Cleo und jetzt hole ich nur noch unsere Siebensachen und Claudia vom Zelt ab. Dann kann es los gehen.
Vor dem Platz von Henk und Mertha parkt inzwischen ein Jeep oder Landrover. Neben ihm steht Dieter, wie wir erfahren. Er rät uns dringend von Umag ab. Auch er hat ein Boot hier, bereits seit zwanzig Jahren.
„Repariert bekommt ihr in Umag nichts. Ich kenne den Laden dort.“ Dieter hält ganz offensichtlich nichts vom Service hierzulande. Er hat genügend Erfahrungen sammeln müssen.
Und vom Service in Portorož auf slowenischer Seite der Bucht rät er ebenso ab. Einzelheiten seiner geschilderten Erfahrungen erspare ich mir. Er gibt uns nur einen Tipp: Italien.
„Fahrt nach Grado. Die haben die gängigen Ersatzteile da, dort wird Euch schnell und zuverlässig geholfen.“ So macht er es jedanfalls immer mit seinem Boot.
Doch dahin müssen wir mit eigener Kraft kommen, wegen dieser bedauerlichen Schleppgebühr.
„Eure Batterien sind vom Blitzeinschlag sowieso kaputt. Soviel ist sicher. Kauft Euch erst mal wenigstens eine neue Batterie, eventuell noch ein Starterkabel. Ich kann euch im Notfall auch mit meinem Boot Starthilfe geben.“ Er weiß noch ein paar Tipps, wie wir unser Boot wieder flott bekommen und so verzichten wir vorerst nur zu gerne auf die Option der Schlepphilfe nach Umag.
Wir steigen in seinen Wagen und er fährt uns zu einer Autowerkstatt. Dort kaufen wir eine neue Batterie. In einem anderen Autozubehörladen erstehen wir ein Starterkabel. So ausgerüstet klettern wir auf unser havariertes Schiff.
Bei Tageslicht untersuchen wir das Schiff jetzt eingehend. In der Vorschiffskoje, auf Claudia’s Seite, ist das Leselicht kaputt. Das runde, mehrere Millimeter dicke Glas mit einem Durchmesser von nur etwa Zentimetern ist zerbrochen. Es hängen noch einige Splitter an der Fassung. Die feinen Splitter der Glühlampe sind auf dem Kopfkissen verteilt. Wir erinnern uns: Claudia hatte sich gerade eben an diesen Platz gelegt, als der Blitz einschlug. Die Lampe war zu diesem Zeitpunkt nicht an. Da hatten wir großes Glück, dass sie nicht verletzt wurde. Neben der Matratze, unterhalb dieser zerbrochenen Leuchte, liegt immer eine Funk-Armbanduhr. Sie ist genau um 23:57 Uhr stehen geblieben. Das war zur Zeit des Einschlags. Vermutlich gab es in dem Moment ein großes elektromagnetisches Feld, welches der sowieso nicht mehr ganz taufrischen Batterie der Armbanduhr den Garaus machte.
Gerne möchte ich noch erfahren, wie kaputt denn unsere alten Schiffsbatterien sind. Mit dem Spannungsprüfer checke ich beide Batterien ab. Beide 13,x Volt. Wie neu! Schade um die 995 Kuna für die taufrische Batterie. Die Instrumentenbeleuchtung funktioniert dennoch nicht, auch kein Versorgungsstrom im Schiff. Doch ich drehe am Startknopf für den Motor. Der Motor springt an! Das hätte ich nicht erwartet. Ein Alarmsignal pfeift zwar fürchterlich und ununterbrochen, aber der Motor läuft!
Das schrille Pfeifen zeigt an, dass die Lichtmaschine ausgefallen ist. Die brauchen wir jetzt nicht. Ich klemme das Kabel zum Alarmsignal ab.
Mit Mühe bekommen wir den Anker raus. Der hat sich bombenfest am Grund verhakt. Ein Schlauchboot mit einem Pärchen kommt noch auf uns zu. Sie haben von unserem Pech gehört. In Umag gäbe es eine Werkstatt. Sie möchten uns helfen. Uns freut das ungemein, wir fühlen uns wohl bei so vielen freundlichen Menschen. Am Ufer stehen Henk und Mertha mit Freunden. Alle winken uns, als wir die Bucht mit Kurs auf Grado in Italien verlassen.
Gestern hatten wir noch keinen von ihnen gekannt.