19. September 2022

Die Reise mit der Snark

Reisebericht von Jack London (1876-1916)

Zweijährige Kreuzfahrt Jack Londons mit Ehefrau in der Südsee

Alexander Pechmann, der Übersetzer unserer mare-Verlag-Ausgabe, schreibt als Einführung am Anfang des Bandes eine sehr schöne Vorbemerkung, die er Jack und Charmian nennt. Charmian ist Jack Londons Ehefrau, die auf dieser Segelreise mit von der Partie ist. Die Widmung Jack Londons zu diesem Buch gilt Charmian:

Für Charmian,
Erster Offizier der Snark,
die Tag und Nacht, bei Verlassen des Hafens
oder beim Einlaufen oder bei Kanalfahrten,
das Ruder übernahm,
die in jeder Notlage das Steuerrad packte
und nach zwei Jahren Segeln weinte,
als die Reise abgebrochen wurde.

Nun, als wir im Kapitel 9 ankamen (Eine Pazifik-Kreuzfahrt, ungefähr Seite 130), bemängelte Claudia dann aber zu recht, dass das (zwischen-)menschliche in diesem Buch bisher kaum eine Rolle spielt. Also, wie kommen die Leute auf dem Schiff miteinander zurecht etc.. Charmian selbst beispielsweise wurde bis dahin überhaupt nur einmal erwähnt: dass sie ebenfalls mit auf der Leprainsel Molokai war. Bis dahin findet sich auf Seite 132 lediglich eine Fußnote, welche Personen in Hawaii von Bord gingen und warum (es gehören insgesamt sieben Personen zur Mannschaft der Snark).

Das bitte nicht falsch verstehen, Jack London ist dennoch (auch Claudias Meinung nach) ein exzellenter Erzähler von dem, was er berichtet. Nur er berichtet Claudias und auch meiner Meinung nach emotional zu unbeteiligt. Namentlich: es muss doch Reibereien oder Ähnliches auf dem engen Schiff gegeben haben. Wie gingen die Londons damit um?

Ich erwähnte also eben Jack Londons großartige Erzählkunst. Nicht langatmig, sondern immer wieder mit einigen Prisen Humor und Ironie gewürzt treibt er einen mühelos von Seite zu Seite. Manche Dinge beleuchtet er vielleicht etwas zu genau, obwohl keine Zeile unwichtig oder langweilig erscheint. Im Kapitel Ein königlicher Sport (über das Surfen auf Hawaii) erfährt man viel über diesen Sport, es fast schon eine Anleitung. Es werden seine eigenen Surf-Abenteuer in Relation zu zwei damals nahmhaften Surflehrern (vielleicht auch noch heute in Fachkreisen berühmt), mit denen er diesen Sport versuchte zu erlernen, gesetzt. Das war uns dann schon fast zu viel, wenn auch von Witz gewürzt. Ebenso fand ich im Kapitel Abenteuer zu viele beispielhafte Zuschriften für Bewerber, die sich anboten auf der Snark als Mannschaft mitzureisen. Jede Zuschrift für sich sicherlich ein kleines Geschenk von dem Schriftsteller an seine Leser. Doch irgendwann ließ die Spannung bei uns beim Lesen eben doch nach.

Mitunter erhaschte mich der Eindruck, London schreibt hier mehr für die Zeitung/Zeitschrift (als für die Veröffentlichung eines Buches), deren Honorar ihm die Weiterfahrt auf der Snark ermöglichte und hatte dafür die Vorgabe einer bestimmten Wortanzahl oder an die Seitengröße/-anzahl zu erfüllen. Und so war es ja auch: die einzelnen Artikel wurden im Nachhinein zu einem zusammenhängendem Buch gemacht. Ursprünglich verfasste der Schriftsteller die einzelnen Kapitel als Geschichten für teilweise verschiedene Zeitschriften.

Fazit

Die Reise mit der Snark verfügt nicht über die klassische Romanstruktur oder über einen Spannungsbogen. Es ist vielmehr die Aneinanderreihung verschiedener Episoden, die mal mehr, mal weniger gelungen daherkommen. Mal sind die Themen für einen persönlich interessant. Für uns sind das ganz klar die Begegnungen mit den Menschen, wie dem «Nuture Man» auf Tahiti oder den Einheimischen auf Tahaa (Tehei und seine Frau Bihaure). Und trotz dass wir Segler sind empfanden wir Londons Ausführungen über Navigation auf dem Meere als zu weit ausgeholt (Kapitel 14, Der Amateurseefahrer).

Doch hinter allem steht ein Erzähler, der es drauf hat. Die Enscheidung zum Lesen dieses Buches (ja/nein) können wir euch aber nicht wirklich abnehmen.

Claudias Fazit
Claudia hat natürlich ihre eigene Meinung zu dem Buch 🙂
 

Jack London bricht im April 1907 zu einer großen Weltreise auf. Mit eigens für die Reise gebautem Segelboot, der Snark, das sich schon kurz nach dem Auslaufen als untüchtig erwies, ähnlich wie die seekranke Crew.

Der Text auf dem Buchrücken verspricht eine abenteuerliche und spannende Reise. Vor allem der Satz «Zusammen mit seiner Frau Charmian … » läßt mich persönlich hoffen, dass dieses Buch gut geeignet ist zum Vorlesen.

Der Schreibstil gefällt mir sehr gut: locker, humorvoll und ansprechend. Und doch bin ich am Ende von meinen Erwartungen her gesehen nicht zufrieden. Es ist jedes Kapitel immer einem Thema gewidmet. Dieses Thema wird dann ausführlich protokolliert und dokumentiert. Es ist mehr eine Ansammlung von Geschichten als ein persönlicher Reisebericht. Mir fehlen Dialoge und Berichte und Szenen innerhalb der Crew. Es wird berichtet von allerlei exotischen Krankheiten und allen Unglücken. Und diese sind nicht wenig.

Somit brauche ich erst mal keine weitere Literatur von dem erfolgreichen Jack London.

Weitere interessante Links zu diesem Buch

Glen Ellen

Glen Ellen ist Jack Londons letzter Landwohnsitz in Kalifornien, wo ihm zusammen mit Charmians Onkel bei einem Bad im Pool die verwegene Idee zu dieser Segelkreuzfahrt kam. Claudia und ich besuchten in unserem Film Entlang der Straßen Kaliforniens diesen weitläufigen Landsitz von Jack und Charmian London. Einen kleinen Videoclip darüber könnt ihr hier ansehen:

Video: Jack London's Landsitz in Glen Ellen
 

PS: Im Angesicht von weltweiten aktuellen gesundheitlichen Fragestellungen fand ich folgende Passage aus dem Kapitel 7, Die Leprakolonnie von Molokai fast schon aktuell. Man müsste nur Lepra mit z.B. Krebs oder Alzheimer etc. ersetzen und dann darüber nachdenken, wieso wir bei soviel zur Verfügung stehendem Geld und modernster Wissenschaft es seit Jahrzehnten nicht schaffen, diese Geißeln der Menschheit zumindest einzudämmen. Hier also das Zitat:

Carnegie-Bibliotheken, Rockefeller-Universitäten und viele ähnliche Wohltaten sind schön und gut, aber man kann nicht umhin, darüber nachzudenken, wie weit ein paar Tausend Dollar reichen würden, zum Beispiel in der Lepra-Siedlung auf Molokai.

Nicht nur um ihrer selbst willen, sondern auch um künftiger Generationen willen würden ein paar Tausend Dollar für eine legitime und wissenschaftliche Suche nach einem Heilmittel für Lepra, nach einem Serum oder nach einer ungeahnten Entdeckung, die es der medizinischen Welt ermöglichen wird, den Bacillus lepræ auszurotten, viel bewirken. Hier ist der richtige Ort für euer Geld, ihr Philanthropen.

Quelle: The Project Gutenberg eBook of The Cruise of the Snark, by Jack London
übersetzt (und von mir leicht überarbeitet) mit www.DeepL.com/Translator

Philanthropen!

Seid wachsam! – und: Lesen bildet!

Philanthrop=Menschenfreund