Wir lösen die Leinen, die unsere Cleo mit dem Kai von Herceg Novi verbinden, und segeln zum Ankern ein paar Meilen südlich in die Bigova Bucht. Der Wind brist achterlich und unser Schiffchen pflügt unter Segeln durch das blaue Wasser der montenegrinischen Adria. Wir segeln und segeln, liegen dabei gemütlich im Cockpit auf dem Rücken und palavern über dieses und jenes.
Was haben wir uns nach so vielen gemeinsam verbrachten Tagen in einem engen Schiff noch zu sagen? Nun: wir träumen. Wir träumen voraus, wie die nächsten Tage an uns vorbeiziehen werden. Und natürlich sprechen wir über unsere geänderte Reiseroute, die uns später wieder zurück durch das kroatische Inselreich führen wird. Hin und wieder stecke ich meinen Kopf nach oben um zu schauen, dass kein Schiff unseren Kurs kreuzt. Doch an Montenegros Küste sind wir heute die einzigen Segler. Ab und an schaukelt ein kleines Fischerboot weit entfernt vor der felsigen Küste. Weit entfernt, weil ich gerne mit etwas größerem Abstand zum Land fahre. Der Wind bringt Cleo so gut voran, dass wir zuerst gar nicht bemerken, wie wir schon an unserer Zielbucht vorbeigesegelt sind. Als es uns auffällt, ändern wir den Kurs, ich hole das Großsegel herunter und wir schippern nur mit dem Vorsegel (was wir übrigens oft so halten) in die schön gelegene Bucht ein, wo wir unseren Anker fallen lassen.
Die Bigova Bucht verdankt ihren Namen von dem Ort Bigova, der in der tiefsten Stelle des Bauches liegt. Der Ort wächst inzwischen immer weiter hinaus an den Eingang der Bucht. Es gibt schon Häuser, die einen wunderschönen Platz am Berg haben und sowohl in die Bucht als auch auf das offene Meer hinauslugen können.
Etwas verwunderlich ist, dass wir nirgends die Spitze eines Kirchturms finden können. Ja nicht mal eine kleine Kapelle ist – wie bei kleinen Gemeinden im Adriaraum oft üblich – zu sehen. Für uns ist das jedoch nicht entscheidend, der Mast der Cleo ragt hoch genug in den Himmel und der alles orange färbende Sonnenuntergang am Ausgang der Bucht lässt uns das ganze Ambiente sowieso göttlich erscheinen.
Klatsch! – Bei diesem Geräusch schnellen verschreckt die unter der Cleo schwimmenden Fischlein auseinander. Unsere Körper kühlen – nach der im Gegensatz zum nächtlichen Stadtgetümmel Herceg Novis – ruhigen Nacht vor Anker ab. Während der Schwimmzüge bereden wir den kommenden Tag.
Claudia: „Heute mache ich nichts, nur Bucht-Tag! Unser erster Bucht-Tag in den acht Wochen.“
„Wieso, wir hatten doch schon Buchttage?“
„Ja, da habe ich aber immer etwas gemacht: Betten gereinigt, Wäsche gewaschen, … Heute mache ich wirklich NICHTS. – Nur Essen. … – Und Trinken.“
„Aha. Dann werde ich dir heute also im Haushalt helfen.“
Nach dem Abtrocknen unser erfrischten Körper gibt es Frühstück. Claudia wühlt in den Schapps der Kombüse, immer noch in ihr Badetuch gehüllt und sieht im Morgenlicht, das durch den Niedergang hinunterleuchtet, sehr bezaubernd aus. Ihre Haare sind noch vom Baden mit einer Klemme nach hinten gehalten. Und sie kommentiert unsere zur Neige gehenden Vorräte, was denn alles nachzukaufen sei: „Tomaten und auch Gurken, die Marmelade ist auch fast alle, … wir brauchen auch wieder Honig, …“
Die Leute im Ort sind sehr freundlich. Auf meine Fragen nach dem Weg zu dem Supermarkt bekomme ich freundliche Antworten und auch immer ein Lächeln dazugeschenkt. Bigova ist wirklich nicht überlaufen von Touristen. Der Supermarkt ist ein Minimarkt. Der Laden ist klein, entsprechend der Größe eines Kiosks etwa. Doch ich finde fast alles, was mir Claudia aufgetragen hat. Und da ist es wieder: zwei Bedienungen, die sich wiederum als überaus freundlich erweisen sind und mir gerne behilflich mit meinen Einkauf. Verstehen können wir uns sprachlich zwar nicht, aber wir verstehen uns. Und ich lerne was Mrkwa heißt: Möhren. Mrkwa, das klingt ausgesprochen etwa so wie merkwa, also merkwürdig. Stimmt aber nicht, die Karotten erweisen sich später als sehr lecker. Und das ist schließlich nicht merkwürdig. – Merkwürdig.